Todenhöfer Krieg IS

Braucht der Frieden wirklich Feindbilder?  – Offener Brief an Jürgen Todenhöfer

Lieber Jürgen Todenhöfer,

vorab: Ebenso wie sie und viele andere bin ich nicht der Meinung, dass der Bundestag heute das Mandat für den Syrieneinsatz beschließen sollte. Viel zu viele Fragen sind offen und es fehlt eine breiter aufgestellte Strategie.

Sie haben gestern auf ihrer Seite in Kooperation mit Xavier Naidoo ein Lied veröffentlicht, um damit gegen den heute beschlossenen Einsatz der Bundeswehr zu protestieren.. Schön und gut.

Dann möchte ich Sie aber trotzdem fragen, was die Bemerkung in der dritten Zeile des Textes soll. Dort wird gesungen „Muslime tragen den neuen Judenstern, alles Terroristen, wir haben sie nicht mehr gern.“

Nicht nur, das es sich hierbei um eine unverhohlene Relativierung der Verfolgung der Juden im Dritten Reich handelt, sondern es ist auch die infantilste Darstellung des Rassismusproblems, die ich je gehört habe Gerade Sie sollten es doch eigentlich besser wissen. Sie waren doch derjenige, der in dieses Gebiet gereist ist und diese Terroristen hautnah miterlebt hat. Sie haben sogar öffentlichkeitswirksam einen “IS”-Terroristen interviewt und daher müsste Ihnen, wie allen anderen Terrorexperten, eine Sache besonders klar sein:

Diejenigen, die sich dem “IS” anschließen, wie Sie selbst sagen, sind zum Teil intelligente, gut situierte Muslime, welche ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden besitzen. Der Grund warum sie sich dem “IS” anschließen ist, dass sie glauben „der Westen“ würde „den Islam“ unterjochen wollen und sich deshalb an die Seite ihrer angeblich unterdrückten Glaubensbrüder stellen wollen.

Das ist aber ziemlicher Blödsinn. Natürlich gibt es Islamophobie in Europa und den USA. Das kann man am Erstarken der AfD, dem Minarettverbot in der Schweiz und wenn irgendwelche Leute unter dem Deckmantel des Tierschutzes ein Halal-Angebot einer Supermarktkette aus dem Sortiment shitstormen, sehen.

Es gibt aber auch die andere Seite. Wenn ein Satiriker Witze über den Islam als Religion macht und der Künstler dann als verlängerter Arm des Wutbürgertums verrissen wird, wenn Menschen nach dem Attentat auf Charlie Hebdo nicht nur „Je suis Charlie“ sagen, sondern auch „Je suis Ahmed“ im Angesicht des ermordeten muslimischen Polizisten und wenn Aktivisten Menschenketten um die noch nicht fertige Moschee in Köln bilden.

Bei allen Widersprüchen, die es in unserer westlichen Gesellschaft gibt, so kann man trotz allem mit Recht behaupten, dass man bei uns freier seine Religion ausleben kann als sonst irgendwo. Insbesondere im “IS”. Auf eine Aufzählung was dort mit Andersgläubigen passiert verzichte ich an dieser Stelle. Es sollte Ihnen bekannt sein.

Die These, dass Muslime die neuen Juden seien ist daher nicht nur falsch, sondern entspringt auch genau derselben Sichtweise die der “IS” vertritt. Wenn Sie also zusammen mit Xavier Naidoo so ein Lied verbreiten, befeuern sie doch gerade dieses quere Weltbild, welches die Leute in den Terrorismus treibt.

Selbst Youtuber wie BibisBeautyPalace, DagiBee usw. haben mittlerweile begriffen, dass mit großer Reichweite auch eine große Verantwortung einhergeht. Sie verbreiten stattdessen diesen Stuss und allen Ihren Fans gefällt es auch noch. Bei dem Versuch irgendwo eine Anmerkung zu der kritischen Passage in ihrer Kommentarspalte zu finden, bin ich leider nicht fündig geworden. Wenn ich so was sehe, frage ich mich ernsthaft: Ist es schon wieder soweit?

Ihr RW


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