White House

Bush und Clinton im Sinkflug – Absturz des Establishments

Race for the White House 32nd Edition

Anfang des Jahres schien der amerikanische Vorwahlkampf noch in geregelten Bahnen zu verlaufen. Hillary Clinton war die unangefochtene und einzig ernsthafte Bewerberin um die demokratische Nominierung für die Präsidentschaftswahl 2016. Bei den Republikanern war das Feld zwar von Anfang an offener, aber trotzdem gingen alle davon aus, dass entweder Bush, Walker oder Rubio die Nominierung erhalten würden. Doch auch dieser amerikanische Wahlkampf steckt voller Überraschungen.

Die Demokraten
Die erste überraschende Entwicklung jüngerer Zeit betrifft die ehemalige Außenministerin der USA. Hillary Clinton erlebt zurzeit einen dramatischen Absturz in den Umfragen. Zu Beginn des Jahres konnte sie sich noch außergewöhnlich hoher Zustimmungswerte erfreuen. Fast drei Viertel aller Anhänger der Demokraten unterstützten die ehemalige First Lady und fast zwei Drittel aller Amerikaner konnten sich vorstellen, sie bei den Präsidentschaftswahlen zu wählen. Sie war praktisch die einzige denkbare demokratische Kandidatin. Ihr Vorsprung war so gigantisch, dass sich die Diskussion innerhalb der Demokraten nur darum drehte, ob sie nicht proforma wenigstens noch gegen einen oder zwei etablierte Demokraten antreten sollte, um für etwas mehr Wettbewerb in der Partei und mehr Spannung für die Wahlkämpfer zu sorgen.

Diese Zeiten sind jetzt definitiv vorbei. Noch vor ein paar Wochen schien es absolut unrealistisch, beinahe undenkbar, dass Harry Clinton Iowa verlieren könnte. Der einzige Gegenkandidat war ein 73-jähriger bekennender Sozialist, der nicht einmal für die Demokraten, sondern als „Independent“ im Senat sitzt und wahrscheinlich nicht mal einen Kamm besitzt. Zwar konnte der authentische aber auch kauzige Bernie Sanders sehr viele Menschen zu seinen Veranstaltungen locken und begeistern,  dennoch sah die Clinton-Kampagne in ihm keine Gefahr. Denn immerhin stand Clinton bei 50 Prozent in den Umfragen in Iowa und Sanders maximal bei 25 Prozent.

Doch die aktuellste Umfrage des renommierten Des Moines Registers, dürfte im Lager der ehemaligen Senatorin aus New York Panik ausgelöst haben. Dort führt Clinton das Feld nur noch mit mickrigen 37 Prozent an und Sanders ist ihr mit 30 Prozent dicht auf den Fersen. Selbst der zunehmend belächelte Vizepräsident Joe Biden, der mittlerweile über eine Kandidatur nachzudenken scheint, legt deutlich zu und liegt mittlerweile knapp unter 15 Prozent. Wenn der Trend weiter anhält, dann könnte Clinton tatsächlich schon wieder den so wichtigen Iowa Caucus und eventuell sogar die Nominierung an einen Underdog verlieren. Doch es kommt noch schlimmer, denn der Senator aus Vermont ist Clinton nicht nur in Iowa knapp auf den Fersen, sondern er liegt laut der aktuellsten Umfrage in New Hampshire, dem anderen wichtigen frühen Vorwahlstaat, bereits vor Clinton.

Die Parallelen zum Jahr 2008 und Barack Obama sind unverkennbar, denn auch damals hat zunächst Niemand in Clintons Lager den jungen Senator aus Illinois ernst genommen, obwohl er vor allem die sehr progressiven jungen Demokraten begeisterte und große Menschenmengen anzog.

Doch damals hieß der Gegner Barack Obama und die Vorstellung den ersten schwarzen Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten zu unterstützen, setzte eine große Bewegung in Gang. Was würde es eigentlich über die Politikerin Clinton aussagen, wenn Sie nicht einmal einen Kontrahenten wie Bernie Sanders ausstechen könnte?

Dieser Absturz von Hillary Clinton hat sicherlich auch mit dem anhaltenden Druck des E-Mail-Skandals zu tun, aber er ist auch Ausdruck des tiefen Misstrauens eines Teils der amerikanischen Bevölkerung gegenüber den Clintons, besonders gegenüber Hillary. So kam bei einer demographischen Erhebung kürzlich heraus, dass die Mehrheit der amerikanischen Wähler, wenn sie an ein Wort denken sollen, das sie mit Hillary Clinton verbinden, zuerst an das Wort Lügner denken.

Clinton gab sich bei einem Auftritt in der vergangenen Woche kämpferisch und übte sich in der Rolle der großen neuen Anführerin der demokratischen Partei nach Barack Obama. Sie rief die Partei auf, mit ihr gemeinsam in die Wahl zu gehen und betonte, dass ihre Wahlkampforganisation nicht nur für ihre eigene Kandidatur, sondern für die Bedürfnisse der ganzen Partei und aller demokratischen Kandidaten kämpfen würde.

Darüber hinaus betonte Sie auch, wie viel Unterstützung ihr jetzt schon von den Delegierten zum großen Parteitag zugesagt wurde. Viele verstanden das als ein Signal an den Vizepräsidenten, nicht ins Rennen einzusteigen.

Die Republikaner
Doch Hillary Clinton liegt wenigstens in den nationalen Umfragen noch klar vor ihren Konkurrenten und zwar mit immerhin knapp 50 Prozent, davon können die republikanischen Kandidaten nur träumen. Donald Trumps Unterstützung ist unterdessen in den Umfragen erneut gestiegen und der Multimilliardär bleibt weiter auf Kurs, tatsächlich in Iowa und New Hampshire die ersten Vorwahlen im Januar zu gewinnen. Mit 23 und knapp 35 Prozent führt er das Feld sowohl in Iowa als auch in New Hampshire deutlich an.

Doch besonders interessant an den letzten Umfragen, vor allen in den frühen Vorwahlstaaten, ist, dass der eigentliche Frontrunner der Republikaner Jeb Bush kürzlich so stark abgestürzt ist. Er befindet sich aktuell in den Umfragen sowohl national als auch in den frühen Vorwahlstaaten zwischen sieben und fünf Prozent. Für einen Kandidaten mit so einem bekannten Namen, einer gefüllten Kriegskasse mit über 100 Millionen Dollar und der Unterstützung fast aller wichtigen Geldgeber sowie Persönlichkeiten innerhalb der republikanischen Partei, ist das eine katastrophale Ausgangslage. Bushs Absturz ist deshalb noch wesentlich dramatischer als der von Hillary Clinton.

Trumps inhaltliche als auch persönliche Angriffe auf den Bruder des 43. Präsidenten haben anscheinend nicht ihre Wirkung verfehlt. Trump hat vor allem das Thema Migration auf die Tagesordnung der Vorwahlen gesetzt und damit den einzigen Kandidaten mit einer liberaleren Position auf diesem Gebiet stark unter Druck gesetzt. Eigentlich war es die Strategie der meisten Republikaner, hier eine moderatere Position einzunehmen, um in der Hauptwahl für die wichtigen Latinos noch wählbar zu bleiben.

Auch seine Angriffe auf Bush waren vergleichsweise persönlich und verletzend. Er bezeichnete Bush als einen netten Typen, unter dem das Land jedoch zur Hölle fahren würde. Außerdem betonte Trump immer wieder, dass Bush eine „Low energy person“ sei.

Aber nicht nur Bush, sondern auch Scott Walker, der als der andere große Favorit der frühen Vorwahlen galt, steht in Iowa schwer unter Druck. Doch im Gegensatz zu Bush war für Walker und seine Kampagne immer klar, wenn er die Nominierungen erhalten will, muss er den Iowa-Caucus gewinnen.

Doch ein anderer, eher unscheinbarer Kandidat hat sich den zweiten Platz in den Umfragen im mittleren Westen gesichert. Dr. Ben Carson, der einzige Afro-Amerikaner der 17 republikanischen Anwärter. Noch in der TV-Debatte schien er so zurückhaltend und unauffällig, dass ihm niemand diesen Aufstieg in den Umfragen in dem so wichtigen ersten Vorwahlstaat Iowa zugetraut hätte. Aber Carsons Kampagne ist in Iowa sehr gut aufgestellt und er ist auch erstaunlich gut finanziert, vor allem durch eher kleinere Spenden.

Polarisierung des amerikanischen Wahlkampfes
Der Absturz sowohl von Hillary Clinton als auch der republikanischen Establishment-Kandidaten ist Ausdruck einer tiefen Unzufriedenheit innerhalb der amerikanischen Bevölkerung mit dem „System Washington“ und den beiden herrschenden Parteien. Sowohl Trump als auch Sanders und Carson repräsentieren die Außenseiter in ihren Parteien. Trump wird von manchen Kommentatoren mittlerweile als Populist europäischen Stils beschrieben. Einer nannte ihn den amerikanischen Berlusconi. Genau wie in Europa ist er, ebenso wie Sanders, erfolgreich, weil viele amerikanische Bürger mit der Performance ihrer Politiker sehr unzufrieden sind. Sie bieten einfache Antworten. Trump will alle illegalen Einwanderer abschieben und eine gigantische Grenzmauer bauen. Sanders will die Reichen besteuern und die Banken zerschlagen.

Die Republikaner haben sich das vorwiegend selbst zuzuschreiben, da sie immer mit einer sehr starken Rhetorik gegen Präsident Obama vorgegangen sind, aber selbst fast keine eigene Politik mit ihrer großen Mehrheit in beiden Kammern durchgesetzt haben. Sie wollten immer Obama-Care zurücknehmen, den Iran-Deal blockieren und die Homo-Ehe verhindern. Doch sie konnten sich mit keinem ihrer politischen Projekte durchsetzen. Jetzt stehen sie vor ihren eigenen Wählern sehr schlecht da, weil sie keines ihrer Versprechen halten konnten. Diese Wähler tendieren dann eher dazu Außenseiterkandidaten zu unterstützen, die zwar auch keine politischen Erfolge vorweisen können, aber diese wenigstens noch glaubhaft versprechen können.

Bei den Demokraten verhält es sich ähnlich. Zwar hat der Präsident Barack Obama bei den Demokraten mittlerweile ein sehr hohes Ansehen, doch überträgt sich das nicht auf seine Kollegen im Kongress oder unter den Kandidaten des politischen Establishments.

Viele Linke und vor allem viele junge Menschen sind von den demokratischen Abgeordneten und Senatoren schwer enttäuscht, da sie immer wieder auf Themen wie Waffenkontrolle, finanzielle Entlastung der Studenten und andere progressiven Probleme hinweisen, aber genau wie die Republikaner im Kongress nie etwas davon durchsetzen konnten. Der amerikanische Kongress als Ganzes hat seltsamerweise Zustimmungswerte von unter fünf Prozent, aber eine Wiederwahlquote von 90 Prozent. Kein Wunder, dass die Vorwähler die Außenseiter unter den Kandidaten favorisieren.

Kommentare

Eine Antwort zu „Bush und Clinton im Sinkflug – Absturz des Establishments“

  1. Avatar von Philipp Richardt
    Philipp Richardt

    „Zwar hat der Präsident Barack Obama bei den Demokraten mittlerweile ein sehr hohes Ansehen, …“ – Ein Freund von mir ist überzeugter Demokrat und Obama hängt ihm zum Hals raus.

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