Europa

Europa muss Syriza ernst nehmen

Das, was eigentlich alle politischen Beobachter für Griechenland befürchtet hatten, ist tatsächlich eingetreten: Alexis Tsipras und sein Linksbündnis Syriza haben die griechischen Parlamentswahlen gewonnen. Die Situation ist ungefähr so, als sei Gregor Gysi nun deutscher Bundeskanzler und würde mit einer Mehrheitskoalition aus Linkspartei und AfD das Land regieren.

Aber kurz nach dem erwarteten Wahlsieg kamen die ersten Beschwichtigungen. Tsipras könne es sich gar nicht leisten seine Wahlversprechen umzusetzen, einen Schuldenschnitt würde es nicht geben, die noch ausstehenden 7,2 Milliarden Euro direkte Finanzhilfen ohne Reformen auch nicht und deshalb würde eigentlich alles beim Alten bleiben.

Doch dann kam es doch anders: Der Energieminister flirtet mit den Russen, der Verteidigungsminister löst Kampfjeteinsätze auf seiner und der türkischen Seite aus, der Finanzminister schmeißt hochkant die Troika raus und der Ministerpräsident verlangt Entschädigungen von Deutschland für Verbrechen im zweiten Weltkrieg.

Viele halten all das für einen taktischen Bluff, der neuen griechischen Führung, um so viel wie möglich ihrer Maximalforderungen durchzusetzen. Dafür spricht auch, dass die finanzielle Situation des griechischen Staates und auch der griechischen Banken sehr wenig Spielraum für irrationales Regierungshandeln lässt.

Doch sollte man sich innerhalb der Führung Europas auf alles gefasst machen, zu oft hat man in den letzten Jahren von strategischen oder taktischen Manövern gesprochen, immer in der Annahme, dass dieser oder jene Akteur sich doch anders verhalten wird, als er es angekündigt hat. Auf diese Art hat Europa schon naiv einige Krisen dieser Welt unterschätzt nicht, nur in Russland und der Ukraine.

Sollte die neue griechische Regierung alles Wahrmachen, was Syriza im Wahlkampf angekündigt hat, dann wird Griechenland nicht Teil der Eurozone bleiben können. Auf dieses Szenario muss die Europäische Union vorbereitet sein. Die entscheidenden Akteure sollten genau zuhören, was Tsipras verkündet und im Zweifel davon ausgehen, dass er meint und auch tut, was er sagt, bevor der Kontinent erneut unvorbereitet in die nächste Krise gerät.


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