Verkaufspolitik von Musik

Verkaufspolitik von Musik – Wie der Fan zur Kasse gebeten wird

Am 11. September hat das Warten für Slayer-Fans endlich ein Ende: Nach sechs Jahren erscheint mit „Repentless“ das neue Album der US-amerikanischen Thrash-Metal-Band und schlägt bereits im Vorfeld hohe Wellen. Natürlich ist die Erwartung groß, wie die erste Platte nach dem Ableben des ehemaligen Slayer-Gitarristen Jeff Hanneman klingen mag. Erste Songsschnipsel und Appetithäppchen kursieren seit Wochen im Internet, die sog. „Metal Eagle Version“ des neuen Albums ist bereits vor Veröffentlichung restlos ausverkauft, der Andrang ist entsprechend groß, die Vorfreude noch größer.

Anhang dieses – zugegeben – genrespezifischen Beispiels möchte ich ein paar Sätze über den Sinn bzw. Unsinn der Verkaufsmaschinerie des heutigen Musikbusiness verlieren. So kommt das eigentliche Album von Slayer in gewohnter Jewelcase-Version mit zwölf neuen Stücken daher. Fans, die jedoch etwas mehr vom Kuchen abhaben möchten, können auch gerne zur Digipack-Version greifen, die – und auch hier kann man frei wählen – entweder eine zusätzliche DVD- oder Blu-ray mit Bonuskonzert und einer Making-Of-Dokumentation des Albums bereithält. Summa sumarum haben wir also bereits drei verschiedene Versionen eines einzigen Albums.

Da Vinyl in den vergangenen Monaten und Jahren wieder in Mode ist und bei Metalfans seit den 1980er Jahren ein unverzichtbares Medium ist – auf Schallplatte klingt der Sound einfach besser – schreckt auf „Repentless“ hiervor nicht zurück: Auf 500 Stück limitiert kommt das neue Slayer-Album in passend roter oder wahlweise auch klarer Vinyl-Optik auf den Markt. Auch der heimische Plattenspieler darf sich also über laute Töne Mitte September freuen. Natürlich sind die zwölf neuen Songs auch überall digital zu erwerben mit dem kleinen Nachteil, dass der Downloader ohne optische oder musikalische Boni auskommen muss. Zwei Versionen möchte ich euch aber noch präsentieren: Eine Box, die die eigentliche CD, samt Blu-ray, DVD, 12-inch Picture-Vinyl, Konzert-CD, eine Fotokarte und ein üppiges Poster enthält sowie die bereits angesprochene „Metal Eagle Version“, die darüber hinaus optisch sehr viel hermacht und wohl auch alle aufgeführten Boni enthalten dürfte.

Bei diesem Über-Angebot an neuer Musik dürfte nicht nur Fans der Band schwindelig werden. Und keine Sorge, der Markt der etwas härteren Musik ist im Vergleich zu anderen Genres noch durchaus übersichtlich. Hier werden zich verschiedene Versionen veröffentlicht, auf jeder befindet sich ein anderes Bonusstück, dort enthält eine Bonus-CD ein Konzert, auf der anderen lassen sich sog. „Hidden-Tracks“, auf einer dritten ein Interview mit dem Künstler und auf der vierten am besten noch ein Video, auf dem die großen Konzerne im Geld baden, finden. Geld, das Fans für neue Musik ihrer Lieblinge ausgegeben haben. Ja, dieses mehr als reichhaltige Angebot hat wirklich für jeden Geldbeutel die passende Edition. Zumindest im Falle von Slayer können wir hier auch mit Fug und Recht von „Value For Money“ reden. Wo andere Künstler ihre Konzerte einzeln als DVD oder Blu-ray veröffentlichen und damit noch die Geldbeutel öffnen, packen viele Bands, speziell im Rock- und Metalbereich – Bereiche, die von Live-Konzerten nunmal leben – ihre Konzerte als CD-Bonus einfach dazu.

Doch vor allem im Mainstream offenbart sich in vielen Veröffentlichung die hässliche Fratze des Musikbusiness, die grässliche Gier, den Fans das hart erworbene Geld aus der Tasche zu ziehen: Sarah Conners neues Album „Muttersprache“ enthält 13 neue Songs. Da das nicht reicht, packen die Verantwortlichen auf eine zweite CD hier ein paar lose Bonussongs, dort einige Stücke, die sich bereits auf anderen Veröffentlichungen befinden und schon darf sich das gute Stücke „Deluxe-Edition“ nennen und zwei, drei Euro mehr kosten. Elternschreck Sido schießt mit seinem neuen Album „VI“ jedoch den Vogel ab. So ist neben der eigentlichen, anscheinend zu langweiligen Version auch eine limitierte Deluxe Box Edition zu haben. Wenn man nur die Musik betrachtet, lohnt sich auch höchstwahrscheinlich der Aufpreis von stolzen 27€ für eine Instrumental-CD, also eine CD ohne Gesang/Rap (!), die diese „üppige“ Edition enthält, oder?. Der helle Wahnsinn!

Recherchieren wir weiter, lassen sich noch hunderte, gar tausende dieser Beispiele finden, in denen Künstlern vom eigentlichen Album zwei, drei Songs abgeschnitten wurden, die dann für eine Digipack-Edition, Deluxe-Box oder Special-Version verwendet werden. In diesem Zusammenhang möchte ich euch auf ein Interview mit dem Sodom-Sänger Tom Angelripper verweisen, der auf die Frage „Wie sieht es denn mit euren Bonustracks des neuen Albums aus? […] Warum kamen sie nicht auf die reguläre Fassung des neuen Albums?“ wiefolgt antwortete: „Grundsätzlich finde ich das nicht gut, dass es da zwei verschiedene Versionen gibt, einmal mit zehn und einmal mit zwölf Titeln. Aber das ist die Politik der Plattenfirmen, da kann ich mich gar nicht gegen wehren. Die haben eben ihre eigene Verkaufsstrategie, es geht um Chart-Einstiege, Vorbestellungen bei Amazon und da halte ich mich einfach raus. Ich musste eben zwei Titel auswählen, die auf der Jewelcase-Version nicht veröffentlicht werden. Das war sehr schwer, weil die beiden Stücke vollwertige Nummern sind, wie die anderen auch. […]“ Und genau dort liegt des Pudels Kern.

Bei der Slayer-Veröffentlichung ist der Fan immerhin in der glücklichen Position, ohne Angst, etwas von seinen Lieblingen zu verpassen, zu jeder erdenklichen Version greifen zu können. Auf jeder befinden sich zwölf neue Songs, nicht mehr, aber auch nicht weniger. So richtet sich meine Kritik an der Verkaufspolitik nicht gegen die Musik per se. Ob man nun Slayer, Sido, Sarah Connor oder die Wildecker Herzbuben favorisiert, Geschmäcker sind von Natur aus unterschiedlich. Doch Jedem dürfte es doch sauer aufstoßen, für einen stolzen Aufpreis von 15% und mehr noch einen Zusatz-Song zu bekommen, der eigentlich vom Künstler für die ursprüngliche Version gedacht war. Musik sollte Gefühle anregen, bei Wut als Ventil dienen, bei Freude zusätzlich beflügeln, bei Trauer Trost spenden usw. Doch schaut der Fan, welchem Genre er auch immer angehören möge, traurig und sauer zugleich auf sein Konto, kann ihm auch die beste Musik nicht über diese Fan-Verarsche hinwegtrösten.


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