Krieg

Krieg ist unmoralisch? Nichtstun auch!

Fischer, Steinmeier, Westerwelle – egal, wie der Verantwortliche auch heißt, ein Wesenskern deutscher Außenpolitik scheint unabänderbar. Friedensorientierung, so ist in seltenem Einklang von Politikern und Journalisten gleichermaßen zu hören, sei eine gewachsene Tradition infolge des Zweiten Weltkrieges und geboten gerade nach der deutschen Wiedervereinigung. Krieg dürfe niemals wieder von deutschem Boden ausgehen, Frieden müsse das Ziel deutscher Außenpolitik sein. Mit entsprechendem Nachdruck vorgetragen und durch kurze Exkursionen in die deutsche Vergangenheit untermalt, ist die Friedensorientierung Gegenstand so gut wie jeder Debatte um ein militärisches Engagement Deutschlands. Sicher, Frieden ist wertvoll und zu Recht Ziel deutscher Außenpolitik. Zu glauben, der Verzicht auf militärisches Handeln sei grundsätzlich ein Beitrag zum Frieden, offenbart aber einen fatalen Denkfehler der deutschen Politik, der uns langfristig teuer zu stehen kommen könnte.

Der deutsche Sonderweg

Ob Bosnien, Libyen oder Mali, bei möglichen Militäreinsätzen Deutschlands zeigt sich ein immer gleiches Muster: abwarten, was die Verbündeten machen, ihnen politische Unterstützung zusichern, die Stimmung in der deutschen Bevölkerung ausloten, wieder warten und letztlich einen in der Regel wenig substanziellen Beitrag beschließen, der wiederum erst Wochen später einsatzbereit ist; häufig erst dann, wenn die heiße Phase des jeweiligen Konflikts zu Ende ist. Beispiel gefällig? In Mali hatten die Islamisten bereits zwei Drittel des Landes unter ihre Kontrolle gebracht, als die Franzosen militärisch eingriffen. Aus Berlin hieß es dazu, man begrüße sehr den französischen Einsatz für die Sicherheit Europas, müsse aber einen eigenen Beitrag erst noch prüfen. Wie zu erwarten, endeten die Hauptkampfhandlungen vor der Prüfung, mithin war ein deutscher Kampfeinsatz schon wegen Time-Outs vom Tisch. Die schlussendlich nach Mali entsandten zwei deutschen Transportflugzeuge dürfen indes keine französischen Truppen transportieren, sondern nur afrikanische. Dass diese noch gar nicht einsatzbereit sind, während Frankreich zwischenzeitlich im Lufttransport an der Belastungsgrenze arbeitete: sei’s drum. Detailverliebt muss außerdem sein, wer darauf hinweist, dass die Luftwaffe statt des sicheren Bamako besser das unübersichtliche Gao anfliegen sollte; in diesem Fall könnten die AU-Soldaten die Front sogar erreichen.

Zeit für ein Umdenken

Diese deutsche Taktik des Abwartens, der Entsendung wenig substanzieller Beiträge und des grundsätzlichen Ausschlusses von Kampfeinsätzen zeigt eine bedenkliche Einseitigkeit der deutschen Friedensdefinition. Nur wer die Abwesenheit von Krieg automatisch für Frieden hält, kann militärischen Zwang grundsätzlich ausschließen. Akzeptiert man dagegen auch weitere Faktoren wie Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechtsorientierung, gesellschaftliche und wirtschaftliche Freiheit sowie den Verzicht auf die Gefährdung anderer Staaten als konstitutiv für echten Frieden, dann können auch Kampfeinsätze zu dessen Erhalt oder Wiederherstellung beitragen. In Mali hat Frankreich die Etablierung eines islamistischen Unrechtsstaates in Schlagdistanz zu Europa verhindert, damit auch die deutsche Sicherheit verteidigt und unter dem Strich den Frieden bewahrt. Paris dafür zu danken reicht nicht aus. Vielmehr müssen wir das speziell deutsche Friedensverständnis erweitern und im transatlantischen und europäischen Rahmen ein ernsthafter und verlässlicher Partner sein. Eine fairere Lastenverteilung bei militärischen Einsätzen ist dazu unerlässlich. Deutschland muss eine Macht des Friedens sein, die aber substanzielles militärisches Engagement bis hin zu Kampfeinsätzen nicht ausschließt, sondern als Mittel zur Sicherung und Schaffung von Frieden akzeptiert und anwendet; immer in multinationalem Kontext und mandatiert von den Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder der NATO.

Ein Plädoyer

Das alternative Weiter-so bedeutet nicht weniger als die Nutzungsverweigerung eines wichtigen Mittels zur Friedenssicherung und -schaffung, eine Blockadehaltung gegenüber einer Europäisierung der Verteidigungspolitik und letztlich eine Marginalisierung der deutschen Position in militärischen Fragen. Gerade in Anbetracht der schmelzenden Verteidigungsbudgets und des sinkenden Einflusses der Staaten Europas kann das kein gangbarer Weg sein. Wollen wir ein langfristig militärisch handlungsfähiges Europa, das aus eigener Kraft Frieden sichern und schaffen kann, muss Deutschland umdenken. Viel Zeit haben wir dafür nicht mehr.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Krieg ist unmoralisch? Nichtstun auch!“

  1. Avatar von Luca

    Ich denke der deutschen Politik geht es dabei in erster Linie nicht um das hier angeprangerte Streben nach Frieden.

    Afghanistan und der Irak haben gezeigt wohin Auslandseinsätze führen. Zu materiellen und menschlichen Opfern, die in Anbetracht des gelinde gesagt doch eher schmalen Erfolgs dieser jahrelangen Einsätze zuhause nicht vermittelbar sind. Eine Ansicht sich sogar in Amerika durchgesetzt hat.

    Kleinere Erfolge wie Mali oder Lybien (zweiterer löst sich gerade in Wohlgefallen auf) kann man gegen das Desaster Irak nicht aufwiegen. Wenn der IS eines will dann westliche Bodentruppen – diesen Gefallen sollten wir ihnen nicht tun.

    Gruß
    Luca

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