Was würde Kant tun?

Seit dem Auftritt eines FDP-Mitglieds in der Fernsehshow “Die beste Show der Welt” scheinen sich viele erneut in der Annahme, dass Liberale schlechte Menschen sind, bestätigt zu fühlen. Kurz zu Erklärung: Durch einen Regelkonformen Trick bewog er seine Konkurrentin zur Aufgabe und staubte dadurch 8.000 Euro ab. Prompt folgte die Antwort des Publikums, das ihn mit Buh-Rufen und Pfiffen bedachte (Hier das Video zur Sendung). Auch im Internet folgte der Shitstorm und dauert bis zum jetzigen Zeitpunkt noch an.

Schnell hörte man Sprüche wie “Das ist der Grund, warum man nicht FDP wählen sollte.” und eine Debatte über die Boshaftigkeit des Liberalismus entbrannte in Facebook-Gruppen, Kommentarspalten von Onlinemagazinen und allen anderen Orten, an denen weltbewegende Diskussionen nun einmal stattfinden.

Kann man anhand des Verhalten eines Menschen, welches von vielen als Betrug angesehen wird, auf die grundsätzliche Einstellung einer politischen Philosophie schließen? Mit viel Fantasie, ja. Wenn man ernsthaft diskutiert, nein. Sicherlich kann man das Verhalten des Gewinners persönlich und moralisch bewerten. Manche mögen es als Betrug ansehen und selbst dann bleibt die Frage, wenn ein Liberaler betrügt, sind dann alle Liberalen Betrüger? Wieviele Männer betrügen ihre Frauen, wieviele Frauen betrügen ihre Männer? Wer hat nicht schonmal seinen Lebenslauf geschönt, um bessere Chancen auf einen Job zu haben? Wer hat nicht schonmal zu viel Wechselgeld zurück bekommen und ist einfach schnell weitergegangen? Wären alle, die schonmal moralische Grundfesten der persönlichen Verlässlichkeit über Bord geworfen haben, um einen Vorteil zu erhalten, Liberale, dann würde die FDP längst den Kanzler stellen.

Doch auch andersherum versuchen viele, sein Verhalten zu rechtfertigen und berufen sich dabei auf den Liberalismus als Grundpfeiler für das Verhalten des Gewinners. Dass diese Argumentation genau so wenig stichhaltig ist, offenbart sich schon, wenn man es mit einer der Grundmaximen des Liberalismus abgleicht: “Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.” heißt es im kategorischen imperativ von Immanuel Kant. Hat der Gewinner also liberal gehandelt? Nein. Hat er unliberal gehandelt? Nein. Er hat so gehandelt, wie es ihm in der Situation am Besten erschien. Hier die Handschrift einer politischen Philosophie zu sehen, geht allerdings doch ein wenig weit. Wer könnte schon von sich behaupten, dass er, als er zu viel Wechselgeld erhalten hat, sich fragte “Was würde Kant tun?”


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Kommentare

Eine Antwort zu „Was würde Kant tun?“

  1. Avatar von Matthias
    Matthias

    Sagen wir es so: es war schon kein schöner Zug! Eine Vielzahl von Möglichkeiten hätte sich für beide ergeben, sodass die Gesamtzufriedenheit in der Summe größer gewesen wäre. Diese hätten den Gewinner zu einem Helden gemacht.
    1) Der Verliererin ihre 2000 Euro geben oder (noch besser)
    2) Der Verliererin die Hälfte geben
    Im Vorfeld hätte er ihr auch direkt sagen können, dass er Risiko wählen wird. Er hätte ihr versprechen können (vor einem Millionenpublikum), dass er ihr die Hälfte geben wird. So hätten beide 4000 Euro erhalten und nicht nur 2000.
    Meiner Meinung nach ist das Verhalten des Gewinners wirklich nicht besonders sozial. Eine Gesellschaft wird genau dann stärker, wenn man sich auf den anderen verlassen kann und gemeinsam der größtmögliche Zugewinn erreicht wird.

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