Spanien

Politik in Spanien – Wege aus der Totalblockade

Gestern ist der geschäftsführende spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) erneut an der Vertrauensfrage gescheitert. Er wurde zwar von den liberalen Ciudadanos und von der kanarischen Regionalpartei CC unterstützt, jedoch stimmten alle anderen Fraktionen geschlossen gegen ihn.

Aktuell ist völlig unklar, welche Wege aus dieser Totalblockade führen könnten. Das wahrscheinlichste Szenario sind Neuwahlen im Dezember. In diesem Falle würde Spanien jedoch große Schäden davontragen. Zum einen drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe, denn die EU hat Spanien damit beauftragt, bis Oktober konkrete Pläne zur Senkung des Haushaltsdefizits vorzulegen. Da die geschäftsführende Regierung Rajoy jedoch keine Etatentwürfe einreichen darf, kann diese Forderung aus Brüssel in der aktuellen Konstellation nicht erfüllt werden. Darüber hinaus trägt auch das demokratische System Spaniens einen großen Schaden davon, denn die Neuwahlen wären  bereits die dritten Parlamentswahlen binnen eines Jahres. Der spanischen Demokratie stünde es gut zu Gesicht, wenn sie das Wählervotum akzeptieren würde statt das Volk so lange abstimmen zu lassen, bis ihnen das Ergebnis passt.

Hinzu kommt, dass selbst Neuwahlen wohl keine Änderungen bringen würden, denn das Ergebnis im Mai 2016 hat sich gegenüber Dezember 2015 kaum verändert. Es ist zu erwarten, dass Neuwahlen erneut zu einer Pattsituation führen würden. Rajoys konservative PP hat im Mai 2016 gegenüber Dezember 2015 leichte Zugewinne erzielen können, so dass er vermutlich darauf hofft, im Falle von Neuwahlen weiteren Boden gutzumachen und dann eine Mehrheit bilden zu können. Sein Kontrahent Pedro Sánchez von der sozialdemokratischen PSOE träumt nach wie vor von einer linken Mehrheit mit Podemos, muss allerdings aufpassen, dass seine unverantwortliche Blockadepolitik nicht dazu führt, dass frustrierte PSOE-Wähler sich Podemos zuwenden. Einige Umfragen deuten diesen Trend an.

Ein letzter Ausweg aus der Blockade könnte sich durch personelle Veränderungen ergeben. Die PP könnte Rajoy fallen lassen und einen neuen Kandidaten präsentieren, der für kleinere Fraktionen wählbar sein könnte, um so die Mehrheit zu erreichen. Die PSOE wiederum könnte Sánchez durch einen anderen Kandidaten ersetzen, der bereit wäre, als Junior-Partner eine Koalition mit der PP einzugehen. Wenn man jedoch verfolgt, mit welchem Eifer und mit welcher Verbissenheit die Auseinandersetzungen geführt werden, so scheint es unwahrscheinlich, dass eine der beiden Parteien einen Rückzieher wagt. Veränderte Haltungen dürften frühestens Ende September eintreten – nach den Regionalwahlen in Galicien und im Baskenland. Zum aktuellen Zeitpunkt scheinen Neuwahlen jedoch unausweichlich.

Aus meiner persönlichen Sicht liegt die Totalblockade darin begründet, dass die spanische Politik das Ende des Zweiparteiensystems noch nicht überwunden hat. Seit Jahrzehnten teilen sich PP und PSOE das Land untereinander auf, und immer hatte eines der beiden Lager eine Mehrheit. Um eine stabile Mehrheit zu bilden müsste die unterlegene PSOE nun erstmals als Junior-Partner in eine Art „Große Koalition“ eintreten. Es ist deutlich zu merken, wie schwer ihnen dies fällt. Somit ist die PSOE mit ihrer Blockadehaltung die Hauptschuldige an der miserablen politischen Lage in Spanien.

 


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