Über das Recht sein Kind zu verstümmeln

„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“, heißt es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Dahinter steht der Gedanke, dass Eltern das Recht haben, ihre Kinder allein nach ihren Wertvorstellungen und ihrem Gutdünken zu erziehen. Eine Einschränkung macht das Grundgesetz hier aber dennoch, denn die Gemeinschaft wacht über die Eltern. So erklärt sich auch, dass Eltern, die ihre Kinder misshandeln, von der Gemeinschaft das Sorgerecht entzogen bekommen können.  Doch wohin hat diese historische und aktuelle Auslegung dieses Grundrechtes geführt?

Eltern steht es frei über die körperliche Unversehrtheit ihrer Kinder nach Gutdünken zu entscheiden. Lasse ich meine Kinder gegen gefährliche Erkrankungen impfen? Beschneide ich meinen Sohn? Verpasse ich meinen Kindern Ohrringe? Welche medizinische Behandlung gewähre ich meinen Kindern? Alle diese Fragen können Eltern für ihre Kinder völlig ohne Konsequenzen entscheiden. Dabei sind häufig irreversible Veränderungen des Körpers der Kinder die Folge. Kinder werden zum Eigentum ihrer Eltern, über das nach Belieben, ohne jegliche Konsequenzen, verfügt werden kann

Im Falle der Beschneidung von Jungen wird die Religionsfreiheit der Eltern als Begründung ins Feld geführt. Es wird behauptet, eine Religionsausübung wäre ohne die Beschneidung unmöglich, doch betrachtet man die Religionsfreiheit, dann schützt sie vor allem den individuellen Glauben. Ein wenige Tage alter Junge hat aber zweifelsohne keinen eigenen Glauben, den es zu schützen gilt und ist weder in der Lage, religiöse Gefühle zu besitzen, noch sie kundzutun. Statt aber zu warten bis der Junge ein Alter erreicht hat, in dem er sich seines Glaubens bewusst geworden ist und sich dann für oder gegen eine Beschneidung zu entscheiden, dürfen die Eltern über das „Objekt Kind“ verfügen und ihm eine Körperverletzung zufügen. Der Körper des Kindes wird irreversibel verändert und der einzige, der nicht gefragt wurde, war das Kind. Auch spätere Regressansprüche oder Klagemöglichkeiten gegen die Eltern bestehen nicht. Ähnliche Rechte haben in Deutschland sonst Haustiere oder unbelebte Gegenstände.

Im Fall von Schutzimpfungen dürfen die Eltern ebenfalls für das Kind entscheiden, ob es diese erhält oder nicht. Dabei werden häufig hanebüchene, wissenschaftlich haltlose Argumente angeführt, nach denen dem eigenen Kind die Impfung verwehrt wird. Zugegebenermaßen ist auch eine Impfung ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und das Immunsystem des Kindes wird irreversibel verändert, allerdings existieren bei Impfungen keinerlei negative Effekte. Bei einer Infektion hingegen, die durch eine Impfung hätte vermieden werden können, kann es von geringen Spätfolgen bis hin zur körperlichen Lähmung und geistigen Behinderung, schwerwiegende Folgen für das Kind haben. In der Abwägung ist also die Impfung mit einem deutlich höheren Nutzen als Schaden verbunden und dementsprechend für jedes Kind ein enorm wichtiger Schutzfaktor. Auch hier wird der elterliche Glaube über das Kindeswohl gestellt. Auch hier können Eltern ihren Kindern erhebliche körperliche Schäden hinzufügen, wenn sie auf die Impfung verzichten und wieder bleiben sie in diesem Falle völlig unbelangt. Von Impfbefürwortern wird in diesem Zusammenhang häufig von einer Impfpflicht gesprochen. Dabei sollen die Eltern, notfalls mit staatlicher Gewalt, gezwungen werden ihr Kind zu impfen. Dies wird in diesem Zusammenhang vor allem mit dem „Herdenschutz“ und der „Volksgesundheit“ begründet. Diese Argumentation geht aber genau auf diese Abwertung des Kindes ein, wie es auch Eltern tun, die Ihren Kindern die Impfung vorenthalten. Vielmehr sollte man die Rechte des Kindes in den Vordergrund rücken und von einem Recht auf Impfung sprechen. So wird plötzlich aus dem Kind, welches zuvor den Status einer Sache oder eines Hundes genossen hat, ein Mensch der unveräußerliche Rechte besitzt und allem voran das Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Eltern die Ihren Kindern eine Impfung verwehren, können dann im Fall einer eingetretenen Erkrankung mit Spätfolgen wegen schwerer Körperverletzung belangt werden. Ähnlich sollte man im Falle von Beschneidungen verfahren. Kindern sollte eine Klagemöglichkeit gegen ihre Eltern eingeräumt werden, wenn diese ihre Gesundheit und körperliche Integrität vorsätzlich oder fahrlässig beeinträchtigt haben.

Entgegen der vielen nun aufkeimenden Unkenrufe, man würde Eltern entmündigen und den Nanny-Staat einführen, wird hier aber vielmehr die Autonomie und der Wille des Kindes gestärkt, was aus liberaler Sicht immer nur als Gewinn gesehen werden kann. Das Grundgesetz und besonders §6 kommen aus einer Zeit, in der Kinder noch verprügelt, körperlich gezüchtigt und als „Eigentum“ der Eltern angesehen wurden. Diese Zeiten haben wir überwunden.  Kinder sind eigenständige Individuen, die sich zwar noch in ihrer Entwicklung befinden, aber deren physische und psychische Integrität nicht mehr länger durch andere verletzt werden darf.


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Kommentare

3 Antworten zu „Über das Recht sein Kind zu verstümmeln“

  1. Avatar von Dagmar Rehak
    Dagmar Rehak

    Grundsätzlich Zustimmung zum Artikel, aber das mit der Impfung liest sich so, also hätte man ohne Impfung keine Möglichkeit, sich gegen eine Krankheit zu wehren, und als ob jede Impfung zu 100% schützt. Eine Impfung senkt grad einmal ein bissl das Risiko sich anzustecken, mehr nicht.

    Was fehlt, ist ein Erkennen und Wertschätzen der sexuellen Funktionen des Körper als zu anderen Funktionen völlig gleichberechtigte. Die durch nichts zu rechtfertigende Abwertung sexueller Funktionen führt gelegentlich auch dazu, dass ein Richter sagt, das Abschneiden der Vorhaut wäre keine Körperverletzung.
    Manche Menschen fühlen sich nicht als Ganzes, empfinden Sex nicht als Teil ihres Körper, sind also eigentlich psychisch krank, verbreiten ihre Einstellung aber als richtig und sehen daher das elterliche Zurechtstutzen der Sexualität ihres Kindes auf ein reduziertes Maß als normal an.
    Gesunde Menschen müssen erkennen, dass sie solche Ideen nicht uneingeschränkt verbreiten lassen dürfen, sondern regulierend eingreifen müssen. Ebenso, wie Eltern nicht das Sehvermögen ihres Kindes reduzieren dürfen, indem sie ihm die Augen verätzen, oder das Hörvermögen, indem sie sein Trommelfell durchlöchern, um es vor schädlichen Reizen zu schützen o.Ä., dürfen sie auch nicht das sexuelle Erleben reduzieren.
    Wir sind offenbar noch weit davon entfernt zu erkennen, dass zu einem gesunden Körper auch ein gesundes Sexualempfinden gehört und jede Einschränkung daher eine Körperverletzung ist.

    1. Avatar von Johannes Busch
      Johannes Busch

      Aber wir haben doch bereits die uneingeschränkte Verbreitung dieser Haltung, sowohl faktisch als auch mit dem Beschneidungsgesetz vom Dezember 2012 staatlich legalisiert. Es betrifft übrigens nur Jungen. Man möge sich vorstellen, ein solches Gesetz würde auch für kleine Mädchen (Beschneidung ersten Grades) angestrebt. Da wird die Absurdität des Ganzen doch offensichtlich. Es ist schlicht Barbarei, tut mir leid. Und damit ist eine breite Diskussion zwingend erforderlich. Es geht um ein Menschenrecht.

  2. Avatar von Leo
    Leo

    Inwiefern wäre denn bspw. ein zu impfendes zweijähriges Kind besser in der Lage, diese Zusammenhänge zu durchblicken, als ein jüngeres Kind, welches beschnitten werden soll? Die Mündigkeit setzt erst später ein. Ob es dabei um Beschneidung oder Impfung geht kann keinen Unterschied machen!

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