Race for the White House 40th Edition
Vor einem halben Jahr hielten fast alle Kommentatoren Donald Trumps Präsidentschaftskandidatur noch für einen Witz, für einen PR-Stunt einer skurrilen Fernsehpersönlichkeit, der zu nicht mehr als einem kurzen Medienhype im politischen Sommerloch taugen würde. Doch mittlerweile lacht eigentlich niemand mehr. Im Gegenteil. Die Tatsache, dass der Milliardär immer noch mit großem Vorsprung an der Spitze des republikanischen Feldes steht, verbunden damit, dass sich die gefühlte weltweite Lage im Rahmen der europäischen Flüchtlingskrise und im Schatten von zwei Terroranschlägen dramatisch verschlechtert hat, nötigt jetzt schon ausländische Regierungschefs, wie den britischen Premierminister David Cameron, die irrwitzigen Vorschläge Trumps zu kommentieren.
Anfangs waren die linksliberalen Medien und vor allem die politisch sehr einflussreichen Komiker der USA von der Idee einer ernst gemeinten Präsidentschaftskandidatur des bizarren Immobilienunternehmers hellauf begeistert. So stand er vom Moment der ersten Ankündigung seiner Kandidatur an im Mittelpunkt jedes zweiten Gags und alle stellten zufrieden fest, dass Trump Hillary Clintons Sieg in den Hauptwahlen im November 2016 sicherstellen würde. Die Republikaner hatten nämlich bereits 2012 schmerzhafte Erfahrungen damit gemacht, wie schwer es ein Kandidat der GOP haben kann, wenn er aus einer blutigen Vorwahlschlacht gegen einen quasi unbeschadeten demokratischen Kandidaten antreten muss. Mit 17 Kandidaten und Trump an der Spitze versprachen sich die Demokraten den blutigsten und härtesten Vorwahlkampf aller Zeiten und hofften, dass sich die Konkurrenzpartei dadurch auch dauerhaft und über das Jahr 2016 hinaus beschädigen würde. Diese Erwartungen wurden dann mehr als übertroffen, denn langsam geht es für die Republikaner nicht mehr nur darum, diese Präsidentschaftswahlen zu gewinnen, sondern überhaupt noch einmal den Präsidenten stellen zu können.
Donald Trump hat in diesem Vorwahlkampf bislang viele Dinge gesagt und getan, von denen die Beobachter immer behauptet und seine Kontrahenten immer gehofft hatten, dass endlich der Moment gekommen wäre, in dem er sich selbst demontieren würde. Alle erwarteten sehnsüchtig den Moment, an dem er doch auch für seine Anhänger den einen Schritt zu weit gehen würde. Doch dieser Fall wollte einfach nie eintreten. Seine Unterstützung scheint zwar nicht viel mehr als ein Viertel der republikanischen Wähler erreichen zu können, aber die Unterstützung dieser Gruppe wurde mit jedem scheinbaren Fehltritt und der darauffolgenden medialen Empörung stärker.
Trump hat bislang,
- John McCain abgesprochen, ein Kriegsheld zu sein,
- behauptet, dass alle mexikanischen Einwanderer Verbrecher und Vergewaltiger seien,
- vorgeschlagen, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen,
- versprochen, im Falle seiner Wahl alle illegalen Migranten abzuschieben,
- seine Kontrahentin Carly Fiorina als wegen ihrer hässlichen Visage nicht wählbar bezeichnet,
- einen körperlich behinderten Reporter nachgeäfft und
- vorgeschlagen, alle Moscheen zu schließen,
- alle Muslime zu zwingen, sich registrieren zu lassen und
- die amerikanischen Grenzen generell für Muslime zu schließen.
Diese Liste ließe sich wahrscheinlich beliebig erweitern.
Trump lässt sich mit diesen Aussagen und dem Verlauf seiner Kandidatur insgesamt sehr gut in den Kontext der europäischen Rechtspopulisten einreihen und macht damit einen generellen Trend in westlichen Gesellschaften deutlich. Im Westen entstehen oder erstarken überall Kräfte, die sich aus einem generellen Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber den herrschenden politischen und ökonomischen Eliten und einer ablehnenden Haltung gegenüber Einwanderern aufgrund von kultureller Fremdheit gemischt mit Sicherheitsbedenken speisen. Viele Menschen fühlen sich wirtschaftlich abgehängt, haben aber vor allem das Gefühl, nicht mehr ernstgenommen zu werden. Dieses Gefühl entstammt auch aus einer immer stärker werdenden Diskrepanz zwischen einer zunehmend global denkenden medialen Elite und ihrem Publikum, das mehrheitlich unter lokal bedingten Problemen leidet.
Der große Unterschied zwischen Europa und den USA in diesem Kontext ist aber das politische System, das nicht wie in Europa sehr stark auf Parteien, sondern auf Kandidaten ausgerichtet ist. In den wichtigen europäischen Ländern bestimmen die Parteien den Kurs der Politik. Sie bestimmen Positionen und stellen Kandidaten auf, die von den Wählern gewählt werden oder eben nicht. In den USA gibt es zwar auch zwei sehr starke Parteien, doch werden diese überwiegend, sowohl inhaltlich, als auch personell durch die Kandidaten bestimmt. Die Wähler bestimmen in den Verneigten Staaten schon den Kandidaten ihrer Partei und dieser bestimmt dann deren Politik. Neugründungen von Parteien, wie in Deutschland oder auch in England, machen in diesem Kontext keinen Sinn und hätten auch bei Wahlen kaum eine Chance.
Deshalb gründet ein Rechtspopulist wie Trump in den USA eben keine eigene Partei, sondern er versucht, sich in der republikanischen Partei durchzusetzen. Normalerweise wäre das auch für das amerikanische politische System kein Problem gewesen, denn die republikanische Partei hätte unter normalen Umständen in der aktuellen Situation geradezu unschlagbar gewesen sein müssen. Die außenpolitische Hinterlassenschaft Präsident Obamas ist mindestens so desaströs, wie die von George W. Bush, wenn nicht schlimmer. Die wirtschaftliche Lage erholt sich zwar langsam, aber vor allem viele republikanische Stammwähler können nicht von Obamas Aufschwung profitieren und viele Amerikaner sind immer noch sehr unzufrieden mit den großen innenpolitischen Reformen aus der ersten Amtszeit des Präsidenten. Unter normalen Bedingungen hätten ein oder zwei starke Kandidaten aus den eigenen Reihen einen Außenseiter wie Trump ganz leicht aus dem Rennen drängen können.
Doch die Republikaner haben es nicht geschafft, aus acht Jahren Opposition gestärkt hervorzugehen. Durch Flügelkämpfe, Überreaktion auf die Gesundheitsreform und übertriebene Rhetorik sind die Konservativen deutlich stärker geschwächt als die Demokraten. Sie sind zerstritten, schlecht organisiert und haben kein klares Führungspersonal. Die Anzahl der Vorwahlkandidaten und das Geschacher um die Neubesetzung des Sprechers des Repräsentantenhauses zeigen dies deutlich. Ihre übertriebene Anti-Obama-Rhetorik ließ kaum Platz für die berechtigte Kritik an der Politik des Präsidenten und verstärkte schon populäre Vorurteile gegen die Eliten in Washington. Diese machten sich die Republikaner so lange gerne zu Nutze, bis sie sich schließlich gegen die eigenen Leute richtete.
Unter diesen Umständen war es sehr leicht für einen finanzstarken politischen Außenseiter wie Trump, sich hier mit weniger als einem Viertel der Wählerstimmen an die Spitze des Feldes zu setzen. Man muss bedenken, dass Trump sehr stark polarisiert und deswegen wahrscheinlich über dieses Viertel an Unterstützung nicht hinauskommen kann, weil es sehr wahrscheinlich ist, dass alle, die ihn bislang nicht unterstützen, es auch in der Zukunft unter keinen Umständen tun werden. Das ließe theoretisch 75 Prozent für einen Establishment-Kandidaten übrig und selbst wenn man Carsons und/oder Cruz Werte davon noch abziehen würde, weil sie auch klare Anti-Establishment-Kandidaten sind, hätte man einen klaren Favoriten.
Wie so etwas aussieht, kann man bei den Demokraten beobachten. Man muss sich nur vorstellen, dass Bernie Sanders nicht auf eine so starke Hillary Clinton mit geschlossenen Truppen hinter sich, sondern auf eine ebenso zerstrittene demokratische Partei getroffen wäre. Dann würden die Demokraten wahrscheinlich einen bekennenden Sozialisten für die nächsten Präsidentschaftswahlen nominieren. An dieser Analogie kann man sehr gut erkennen, wie wichtig es gerade im informellen amerikanischen Parteiensystem ist, trotzdem klares Führungspersonal in einer Partei zu haben.
Das wirklich langfristige Problem, das für die Republikaner aus Trumps Kandidatur aber entsteht, ist, dass die demographischen Entwicklungen in den USA der ausschließlich auf weiße Wähler ausgerichteten Strategie Trumps keine Chance lassen werden, denn der Anteil der weißen Bevölkerung in den USA sinkt und die Republikaner wissen, dass sie ihre Wählerschaft auf einige Minderheiten werden erweitern müssen. Dadurch, dass mit Barack Obama die Demokraten den ersten schwarzen Präsidenten der USA stellen, haben die Republikaner, immerhin die Partei Abraham Lincolns, die schwarze Bevölkerung aufgegeben und de facto auf absehbare Zeit kampflos den Demokraten überlassen.
Aber der hispanische Teil der Bevölkerung sollte langfristig für die Republikaner gewonnen werden. Die starke Religiosität dieser Gruppe und ihre Affinität zu familiären Werten und einer aufsteigerfreundlichen Wirtschaftspolitik macht sie zur perfekten Zielgruppe für die Verbreiterung der Wählerschaft der GOP. Deswegen wurden vor Trumps Kandidatur auch Jeb Bush und vor allem Marco Rubio als Favoriten gehandelt, da Bush durch seine mexikanische Frau und seine Kinder und Rubio durch seine Herkunft diese Gruppe emotional an die Partei binden sollten.
Aber alle Anstrengungen, die die Partei bis dahin unternommen hatte, um dieses Ziel zu erreichen, hatte Trump bereits in seiner ersten Rede quasi zu Nichte gemacht.
Sollte Trump also wirklich die Nominierung der republikanischen Partei erhalten, muss man sich die Frage stellen, wie diese nicht nur 2016, sondern irgendwann in der Zukunft noch eine Präsidentschaftswahl gewinnen will. Trumps extreme Positionen treibt nicht nur den hispanischen Teil der Bevölkerung, sondern auch viele moderate Republikaner und auch viele junge Wähler in die Arme der Demokraten. Trump dürfte somit das zweite große demographische Problem der Republikaner, das extrem hohe Alter ihrer Wähler, ebenfalls bereits verstärkt haben. Dafür werden seine liberalen Positionen in Bezug auf die Rechte von Homosexuellen, Abtreibung und in der Steuerpolitik wohl kaum einen einzigen Demokraten dauerhaft für die Republikaner gewinnen können.
Doch erst Trumps Vorschlag, das Land komplett von allen Muslimen abzuschotten, hat zu einer generellen und drastischen Distanzierung der republikanischen Partei von ihrem aktuellen Frontrunner geführt. Bislang ist vor allem die formelle Führung der Partei immer vorsichtig gewesen, um Trump nicht zu einer eventuellen unabhängigen Kandidatur zu provozieren. Langsam scheint man dieses Szenario aber als weniger dramatisch einzuschätzen, als den Fall, dass Trump tatsächlich die Nominierung erhält.
Letztlich müsste sich die Partei wohl hinter einem gemeinsamen Kandidaten abseits von Trump versammeln, der diesen dann besiegen könnte. Ob Ted Cruz, der Donald Trump den Sieg in Iowa streitig machen könnte, dafür der richtige Kandidat ist, wird man sehen müssen. Aber fest steht, dass Trump die Marke und das Ansehen der Republikanischen Partei schon so schwer beschädigt hat, dass ein Sieg gegen Hillary Clinton 2016 ausgeschlossen scheint. Eine Nominierung Trumps könnte Clintons Sieg auch nicht verhindern, aber der Schaden, den die Republikaner an einer Kandidatur Trumps nehmen würde, könnte auf lange Zeit irreparabel sein.
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