Generation Y

Moralokratie – Das Gut, Recht zu haben – Folge 1

Bekannte Soziologen schimpfen heute auf die sogenannte Generation Y, sie sei angepasst, denkfaul, konfliktscheu, unpolitisch und vor allem nicht bereit, über die Pflichtleistung hinauszugehen. Kein Wunder also, dass sich manche Unternehmen allmählich Zukunftssorgen machen, wer künftig Spitzenpositionen einnehmen soll, wenn niemand mehr bereit ist, Anstrengungen über dem Mittelmaß zu leisten.

Nun gut, ähnliche Vorwürfe treten etwa alle fünf Jahre über eine Generation ins Rampenlicht, um diverse Feuilletonseiten zu füllen, allerdings muss man sich über die Begründung der Charakterbildung doch sehr wundern. Es sei, so der Jugendforscher Klaus Hurrelmann in der FAZ vor allem durch die „sehr komplexen Veränderungen durch die fortschreitende Technisierung der letzten zehn Jahre“ zu erklären, in denen man gelernt hätte: „Alles ist im Fluss, nichts ist mehr sicher (…). Deshalb passen sie sich dem System an, optimieren ihre Ausgangslage. (…) Sie gehen ihr Leben taktisch an, richten sich ganz stromlinienförmig auf den Erfolg aus.“ (Hurrelmann 2014). Dabei gewährt er den heute 15 – 30 jährigen zumindest einen „pragmatischen Idealismus“, da sie erkannt haben, dass man sich dem System beugen muss, um in ihm voranzukommen und es, so zumindest seine Thesen, von Innen verändern kann. Auch wenn man Hurrelmann in der Analyse durchaus folgen kann, lässt er einen elementaren Bestandteil außen vor: das politische Klima. Inzwischen hat die Generation der Alt-68er längst die Spitzenpositionen in Parteien, Kirchen und vor allem in Bildungseinrichtungen besetzt und verteidigt rigoros ihren ideologischen Machtanspruch: Kritik unerwünscht. Wer in der heutigen Zeit diskutieren möchte, vielleicht so, wie die politisierten Studenten in den 70er Jahren, stößt auf eine geistige Barriere. Die eigene Vorstellung von einer besseren und gerechteren Welt wurde zu einem Selbstzweck umformatiert, da sich die politischen Verhältnisse längst zu Ihren Gunsten gedreht haben. Gestern schrien sie noch in ihrem Stuhlkreis „wir müssen in die Apparate“, heute gilt es den Status zu halten und Begründungen zu finden, warum die eigene Ideologie reproduziert werden muss: zum Beispiel in Seminaren, in öffentlichen Einrichtungen oder in neuen Gesetzen. Als Generation Y lernt man, sich politisch anzupassen. Es gilt nun einmal der Anspruch auf die einzige moralische Richtigkeit, der sich von der links-grünen Ideologie auf alle Lebensbereiche überträgt. Ergebnisoffene Diskussionen sind daher schier unmöglich, höchstens der Versuch, den Diskussionspartner doch noch auf den richtigen Weg zu bringen – und wenn nicht, gilt, wie die Journalistin Birgit Kelle auf den Punkt bringt: „Wer abweicht, wird nicht sachlich widerlegt, sondern sozial geächtet“. Die neue Moral als Bündelung aller Meinungsgängelungsinstrumente von ‚politisch korrekt‘ bis ‚öko-sozial‘ lässt sich als ein Gut definieren, dessen Besitz den Status sichert. Und wieder kann man auf einen Soziologen zurückgreifen, der sicher nicht davon ausgegangen ist, dass seine Theorie einmal auf die Moralokraten Anwendung findet: Heinrich Popitz (1925 – 2012). Dieser erklärt den Prozess der Machtbildung – und der liegt dem Machtbegriff nach Weber zu Grunde – in drei einfachen Schritten. Und wir finden unmittelbar eine erste Antwort auf die Frage „Wie geschieht es, dass Wenige Macht über viel gewinnen?“ – und diese ist ebenso banal wie die Furcht der Vielen, sich gegen die Gängelung der Wenigen zu stellen.

Phase 1: Anfechtung der bestehenden Ordnung

Zugegeben, es fällt schwer, einen genauen Zeitpunkt für den Beginn der Phase auszumachen, doch nehmen wir den Zeitabschnitt von Anfang bis Ende der 70er Jahre. Inmitten eines konservativen, aber prosperierenden Westdeutschlands erheben sich neue soziale Bewegungen als Antwort auf die Diskussion um die neue Linke. Keine Frage, und hier werden sich auch die meisten einig sein, entstanden für die Gesellschaft wertvolle Brüche, Vermieftes und Althergebrachtes wurden infrage gestellt und, es fällt einem schwer es auszusprechen … tabuisierte Themen zur Sprache gebracht – im Übrigen rühmen sie sich zwar damit, aber vergessen dabei, dass sie heute rigoros keine Diskussionen um neue Tabuthemen zulassen. Heute erscheinen die Fortsetzungen dieser ideologischen Auswüchse eher eine Wohlstandsbewegung zu sein. Doch zurück zur Phase .

Die kleine sich darauffolgend bildende Minderheit in den späten 80er und 90er Jahren erkennt zusehends, dass die emotionale Diskussionsführung, die symbolische Politik, Erfolg bringen wird: wir erinnern uns an Lichterketten, Mahnwachen, das Festketten oder Einbetonieren an Gleisbetten etc. . Insbesondere in modernen Wissensgesellschaften, so begründen Schaal & Heidenreich (2013), in denen mit der Zunahme an Wissen auch das Maß an Unwissen und an politisch wie gesellschaftlich zu verarbeitender Unsicherheit steige (vgl. S. 8), gewinne „Vertrauensmanagement als Teil eines politischen Emotionsmanagements“ (…) an Bedeutung. „Es ist nicht nur symbolische Politik, es ist Politik“ (S. 9). Die gewählte Nische eröffnet die Möglichkeit, sachliche Argumente abzuschwächen und die eigene Position emotional zu überhöhen. Wie leicht lässt sich der Bau eines Infrastrukturprojekts mit positiven Auswirkungen auf eine ganze Region, Schaffung von Arbeitsplätzen, einem positiven Wirtschaftswachstum etc. mit einem abgeholzten 189 Jahre alten Baum aufwiegeln. Ihnen kräuseln sich dabei vielleicht die Fußnägel, aber den grünen Ideologen ist es gelungen, diese Strategie in Gesetze umzuwandeln, ganze Behörden aufzubauen, die nach diesem Verfahren zu agieren haben. Diese Anfechtung gegen die bestehende Ordnung ist auch ein Kampf gegen den klassischen Meinungsaustausch. Ich weiß ja nicht, wie Sie Diskussionen führen, aber Sie haben wahrscheinlich gelernt, dass – vielleicht noch innerhalb der eigenen Familie, aber nicht außerhalb und erst Recht nicht in der Politik oder in der Wirtschaft – Unsachlichkeit eher unerwünscht ist – ganz nach der Diskurstheorie von Habermaß. „Die rationalisierende Wirkung von Diskursen beruht darauf, dass Begründungen für Argumente vorgetragen werden, die individuelle Erfahrung und Betroffenheit transzendieren und auf Generalisierung zielen“ (Schaal & Heidenreich 2013, S. 7). Eben dieses Verständnis ist abhandengekommen, das Sachargument kommt auf die rote Liste der bedrohten Spielregeln der Demokratie. Anstelle von Fakten rücken Vermutungen, anstelle von Argumenten rückt der Anspruch moralischer und politischer Korrektheit – also das politische Gut der Moral, deren Besitzanspruch sie endgültig erheben. Die Minderheit von grünen und linken Ideologen fühlt sich fortan privilegiert, schließlich sind sie die Besitzenden unter der Mehrheit der Besitzlosen und organisieren sich mit dem guten Gefühl, im Recht zu sein.

In 14 Tagen geht es weiter mit dem zweiten Teil und den Strategien, die Gruppe der Mehrheit zu spalten.

 

Quellen:

Schaal, G. S. & Heidenreich, F. (2013): APuZ 63. Jahrgang 32–33/2013, S. 8 – 9

Popitz, H. (1986): Phänomene der Macht. Tübingen: Mohr in Reemtsma J. Vertrauen und Gewalt. Hamburg: Hamburger Edition 2008.

Hurrelmann, K. (2014): http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/campus/interview-mit-jugendforscher-zur-gen-y-13148663.html


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