Safer-Sex ohne Kondom ist wie eine Kugelsichere Weste aus Papier

Nicht unlängst haben die Aussagen eines, mittlerweile zurückgetretenen, Sprechers der Initiative SCHLAU zu Safer-Sex und der Benutzung von Kondomen für lebhafte Diskussionen gesorgt. Für besonders große Aufregung sorgte dabei der Satz: „Ich habe regelmäßig Sex ohne Kondom. Schutz durch Therapie macht es möglich.“

Nun, bevor wir uns empören wollen wie unverantwortlich dieser Sprecher ist, schauen wir mal, was es eigentlich mit diesem „Schutz durch Therapie“ auf sich hat. Man muss nicht lange suchen um fündig zu werden. Die AIDS-Hilfe selbst wirbt für den so genannten „Schutz durch Therapie“. Spätestens jetzt sollte also jeder beruhigt sein und sich damit zufrieden geben, dass auch die AIDS-Hilfe der Meinung ist, eine nicht nachweisbare Viruslast wäre ausreichend, um auf das ungeliebte Gummi zu verzichten.

Aber stimmt das eigentlich? Kann man sich durch eine Therapie wirklich schützen? In der modernen HIV-Therapie hat man es mittlerweile erreicht, dass der Virus so weit zurückgedrängt werden kann, dass er im Blut nicht mehr nachweisbar ist. Deswegen ist HIV auch mittlerweile nicht mehr als tödliche, sondern als chronische Erkrankung eingestuft. Allerdings sollte dabei nicht vergessen werden, dass „unter der Nachweisgrenze“ nicht gleichbedeutend ist mit „kein HIV im Blut“. Nachweisgrenzen sind technische Grenzen die immer mit einer Ungenauigkeit behaftet sind und deswegen niemals einhundertprozentig ausschließen können, dass nicht doch einige wenige HI-Viren im Blut vorhanden sind, die dann für eine Infektion ausreichen.

Allein schon unter diesem Gesichtspunkt ist es wenig verantwortungsvoll, weder von der AIDS-Hilfe, noch von jemandem der Präventions- und Aufklärungsarbeit an Schulen leistet, von „Schutz durch Therapie“ zu sprechen. Ein sicherer, einhundertprozentiger Schutz kann durch eine Therapie nicht erreicht werden. Zwar gilt das auch für die Benutzung eines Kondoms, aber es gibt eben nicht nur HIV. Die Zahl der Neuinfektionen bei sexuell übertragbaren Krankheiten (STD), steigt in den letzten Jahren deutlich und stetig an. Hier die Betrachtung auf HIV zu verkürzen ist naiv und blendet Teile der Realität einfach aus. Deswegen gilt nach wie vor: „Schütz dich!“

Auch zum allgemeinen informationellen Umgang mit seiner Erkrankung äußerte sich der hier nicht namentlich näher genannte und mittlerweile zurückgetretene SCHLAU-Sprecher im Weiteren mit dem Statement: „Bei Sexdates ist mir Ehrlichkeit ziemlich egal. Bei Schutz durch Therapie ist man sexuell nicht infektiös, also braucht man es auch nicht dem anderen sagen.“ Auch hier könnte man ihm nun zugestehen, dass er ja selbst bestimmen kann, wem er wie viel erzählt und, dass es ja nur Ihn selbst etwas angehen würde.

Völlig vergessen wird hierbei, dass der Sexualpartner ein Recht darauf hat, zu wissen, worauf er sich einlässt. Es werden, teilweise auch prominente, Strafrechtsverfahren in denen HIV-Positive, die Ihre Erkrankung verheimlicht haben und deswegen andere infiziert haben, wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt und verurteilt wurden, völlig ignoriert. Auch hier kommt dann gerne das Argument, man dürfe HIV-Positive nicht „stigmatisieren“. Die Frage ist nur, ob die informationelle Selbstbestimmung des Sexualpartners nicht vielleicht mehr wiegt? Wie soll ein Sexualpartner selbstbestimmt entscheiden können, ob er sich schützt oder nicht, wenn ihm wichtige Informationen vorenthalten werden, weil der Betroffene glaubt, seine Therapie reicht schon zum Schutz aus?

Es ist also zusammenfassend mehr als berechtigt, zu Fragen, wie die Landesregierung die Äußerungen des zurückgetretenen SCHLAU-Sprechers bewertet, der mitunter aus Landesmitteln finanziert wurde. Diese Aussagen als homophob oder diskriminierend gegenüber HIV-Positiven zu bewerten, benötigt schon eine Menge persönliche Abneigung und ein politisches Motiv, denn bisher galt es Schülern möglichst die Nutzung eines Kondoms nahezulegen und ihnen Safer-Sex als wichtiges Anliegen zu vermitteln. Deswegen ist auch jede Nazi-Keule und jeder Sturm der Entrüstung über diese völlig berechtigte Kritik nichts anderes als eine Abkehr von der Prävention hin zur Steigerung der Neuansteckung mit STDs.

Anstatt sich also über berechtigte Fragen und Kritik zu empören, wäre etwas Empörung über die verantwortungslose, Bare-Sex Mentalität von Vorbildern angebracht. Das hat nun der betroffene Sprecher auch erkannt und seinen Rücktritt angekündigt, um weiteren Schaden von SCHLAU abzuwenden, ohne allerdings von seinen Aussagen abzurücken.


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