„Deutschland wird sich verändern müssen!“ verkündete unsere Kanzlerin und meinte damit, dass die Bundesrepublik nach der Flüchtlingskrise ein anderes Land sein wird als vorher. Was Merkel genau damit sagen wollte, nun ja, dafür gibt es viele Deutungen, aber einer möglichen Veränderung möchte ich mich an dieser Stelle ganz klar entgegenstellen.
In der letzten Ausgabe von „Hart aber fair“ forderte ein Vertreter der DITIB, der Organisation, die in Deutschland maßgeblich den Islam organisiert und aus der Türkei gesteuert wird, eine bestimmte Veränderung der deutschen Gesellschaft. Bewusst oder unbewusst forderte Zekeriya Altug eine massive Einschränkung der Meinungsfreiheit zugunsten des Islam.
Altug antwortete auf die aktuell viel diskutierte Frage, wie die deutsche Gesellschaft ihre eigenen westlichen Werte offensiv genug einfordern könnte und, ob es dafür einer deutschen Leitkultur bedürfe: „Wir erwarten von den Muslimen immer Rücksicht auf unsere Werte, gleichzeitig muss man auch Rücksicht auf die Werte der Muslime haben.“ Daraufhin wurde er von dem bekannten islamkritischen Autor Hamed Abdel-Samad gefragt, welche Werte denn damit genau gemeint seien. Diese Frage wollte Altug zunächst nicht beantworten, aber der CDU-Politiker Jens Spahn bekräftigte die Forderung nach einer Antwort, auf die sehr entscheidende Frage: Auf welche muslimischen Werte muss die westlich-liberale Gesellschaft in Zukunft Rücksicht nehmen? Altug antwortete: „Zum Beispiel, dass man die Sachen, die man für heilig hält, wie den Koran oder den Propheten, respektiert und nicht provoziert mit diesen Symbolen.“
Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. In einem Umfeld, in dem es aufgrund von Karikaturen, Filmen und anderen „Provokationen“ mehrfach zu gewaltsamen Gefühlsausbrüchen von Muslimen gekommen ist und in dem die Anschläge von Charlie Hebdo, bei denen diesem angeblichen Mangel an Respekt zwölf Menschen zum Opfer gefallen sind, noch kein ganzes Jahr her sind, fordert uns ein Vertreter des organisierten Islam in Deutschland auf, mehr Respekt vor dem Koran und dem Propheten zu haben.
Das erscheint mir mindestens eine Verkehrung des Problems in sein Gegenteil zu sein. Hier haben wir den ersten fundamentalen Wertekonflikt, denn in unserer Gesellschaft darf es weder Sonderrechte für die noch Sonderpflichten gegenüber den Angehörigen einer bestimmten Religion geben. Und wenn doch Sonderrechte, wie zum Beispiel die der katholischen und evangelischen Kirchen festgestellt werden, so sollten diese eher abgebaut als auf andere Religionen erweitert werden. Das Verlangen nach Respekt gegenüber dem Propheten der Muslime und dem Koran kollidiert direkt mit der Meinungsfreiheit und deshalb steckt in dieser Forderung nach mehr Respekt gegenüber den „grundsätzlichen Werten der Muslime“ ganz offensichtlich die Aufforderung, das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken, um die Gefühle einer religiösen Gruppe zu schonen. An dieser Stelle wäre ein richtiger Shitstorm ausnahmsweise einmal sehr angebracht gewesen.
Aber damit war der Affront gegen die Meinungsfreiheit noch nicht beendet, denn es blieb nicht bei einer abstrakten Forderung nach mehr Respekt, sondern Altug konnte auch konkrete Vorschläge zur Umsetzung dieser „Rücksichtnahme“ präsentieren. Abdel-Samad konfrontierte Altug nämlich nach dessen Antwort mit der Frage, ob er nicht das Recht habe, ein kritisches Buch über Mohamed zu schreiben. Darauf antwortete Altug: „Ein kritisches Buch ja, ein Pamphlet, wie Sie das gemacht haben, eher nicht.“
Natürlich relativierte er diesen Satz im Anschluss an Spahns fundamentalen Widerspruch und meinte, er habe aber auch das Recht so über das Buch Abdel-Samads zu sprechen. Nur dieses Recht hat noch nie jemand in Abrede gestellt. Es stellt auch die Widersprüchlichkeit dieser religiösen Argumentation heraus. Altug hat selbstverständlich das Recht, Abdel-Samads Buch zu kritisieren, Abdel-Samad sollte aber nicht das Recht haben, den Koran zu kritisieren.
Aus meiner Sicht hat ein Vertreter des Islam in Deutschland offen und im landesweiten Fernsehen eine Einschränkung der Meinungsfreiheit zu Gunsten der religiösen Gefühle von Muslimen gefordert und die Gesellschaft und Politik darüber hinaus aufgerufen, dieses notfalls auch durch ein Verbot gewisser islamkritischer Bücher durchzusetzen. Ich könnte mir auch gut vorstellen, welche Organisationen Herr Altug vorschlagen würden, wenn es darum ginge, zu entscheiden, welche Bücher auf dieser Verbotsliste stehen sollten.
Er macht damit sichtbar, dass selbst für westlich wirkende Muslime, die fast ihr gesamtes Leben in Deutschland verbracht haben, der Respekt vor ihrem Propheten häufig höher bewertet wird als eines der wichtigsten Grundrechte des deutschen Grundgesetzes. Mit dieser Frage müssen wir die hier ankommenden Muslime konfrontieren!
Unsere Politiker müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass aus diesen unterschiedlichen kulturellen und religiösen Werten und Vorstellungen erhebliche Konflikte erwachsen werden und deshalb müssen sie jetzt Lösungsansätze präsentieren, die dann offen in der Gesellschaft diskutiert werden können. Hugo Müller-Vogg hat hier mit dem Integrationsvertrag schon einen ersten Vorschlag gemacht. Auch die säkulareren Muslime, die sich nicht von den Verbänden repräsentiert fühlen, müssten meiner Ansicht nach mehr Gesicht zeigen, denn wer Altug und andere widerspruchslos für sich sprechen lässt, der sollte nicht beleidigt oder verwundert sein, wenn seine Haltung hinterfragt wird.
Doch eine Lösung, die unsere säkularen und aus der Aufklärung geborenen Grundrechte im Sinne einer primitiven religiösen Rücksichtnahme preisgeben würde, wäre nicht nur ein zivilisatorischer Rückschritt, sondern auch ein devotes Einknicken der offenen Gesellschaft vor der blanken Gewalt der Anderen. Sollte Angela Merkel diese Veränderung gemeint haben, so sollten wir uns alle dafür einsetzten, sie abzuwenden.
Wer sich diese Ausgabe selbst einmal ansehen möchte, kann dies an dieser Stelle (Ab 1:07:40) in der Mediathek der ARD tun.
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