Race for the White House 33rd Edition
Der sehr beliebte Vizepräsident Joe Biden denkt anscheinend ernsthaft über eine weitere Präsidentschaftskandidatur nach. Was würde seine Kandidatur für die Vorwahlen der Demokraten und für Hillary Clintons Chancen bedeuten?
Man sollte sich an dieser Stelle nichts vormachen. Von allen Kandidaten, die sich bisher erklärt haben und auch von denen, die sich noch nicht erklärt haben, hat Hillary Clinton mit Abstand die besten Chancen, die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten zu werden. Sie hat immer noch insgesamt die stärksten Umfragewerte, sehr wahrscheinlich die größten finanziellen Mittel zur Verfügung und die größte Kampagneninfrastruktur in beiden Lagern. „She still is the one to beat“
Dennoch, so langweilig wie noch vor ein paar Monaten zeigen sich die demokratischen Vorwahlen nicht mehr. Letzte Woche habe ich hier bereits berichtet, wo und inwiefern Clinton schon vom Sozialisten Bernie Sanders in den frühen Vorwahlstaaten unter Druck gesetzt wird. Nun sieht es so aus, als könnte der häufig belächelte, aber nicht zu unterschätzende Vizepräsident der USA, Joe Biden, tatsächlich vorhaben, noch in das Rennen einzusteigen. Anscheinend erhält er aus Beraterkreisen und aus der Partei sehr viel Unterstützung für eine Kandidatur und viele wollen ihn davon überzeugen, seinen Hut doch noch in den Ring zu werfen.
Seitdem Biden bei neuen Umfragen berücksichtigt wird, sind Clintons Umfragewerte weiter gesunken. Demoskopisch gilt: Bidens Zuwachs in den Umfragewerten ist Clintons Verlust. Und bei den so wichtigen Zustimmungswerten sind Biden und Clinton quasi gleich auf. Allerdings teilen sich beide, als absolute demokratische Establishment-Kandidaten, die gleiche Parteibasis und Organisation, und eben in dieser Domäne hat Clinton noch einen enormen Vorsprung.
Andererseits sind in amerikanischen Wahlkämpfen schon sehr viele unerwartete Dinge passiert und, auch wenn die meisten Demokraten den anhaltenden E-Mail Skandal in Bezug auf die Nutzung ihrer privaten E-Mail-Adresse als Außenministerin für eine von den Republikanern angezettelte Farce halten, könnte dies doch zu einem ernsthaften Problem für Clinton und die Demokraten werden. Das FBI ermittelt unterdessen bereits, ob Clinton durch den Gebrauch ihrer privaten E-Mail-Adresse als streng geheim eingestufte Informationen gefährdet hat. Es bleibt weiter sehr unwahrscheinlich, aber dennoch nicht völlig ausgeschlossen, dass hieraus ein handfester Vorwurf und vielleicht sogar juristische Konsequenzen erwachsen.
Biden vs. Clinton
Eventuell hat eben die Tatsache, dass Clinton nicht in der Lage zu sein scheint, diesen Skandal dauerhaft zu beenden, dazu geführt, dass viele wichtige Leute in der Demokratischen Partei Zweifel daran bekommen haben, ob es wirklich so sinnvoll ist, nur mit einer einzigen ernsthaften Alternative in die Vorwahlen zu gehen. Dieses Misstrauen gegenüber Clinton und ihrer Kampagnenfähigkeit, verbunden mit ihrem Sinkflug in den Umfragen, haben eine Situation geschaffen, in der eine Joe-Biden-Präsidentschaftskandidatur immer wahrscheinlicher wird.
Der große Unterschied zwischen Clinton und Biden liegt sicher nicht in ihrer programmatischen Ausrichtung, sondern in der Art und Weise, wie sie öffentlich auftreten, Reden halten und einfach auf Menschen wirken. Neben dem großen Misstrauen und den Zweifeln, die viele Amerikaner an Clintons Integrität haben, gilt ihr öffentliches Auftreten als ihr größtes Problem auf dem Weg zur Präsidentschaft. Joe Biden wirkt im Gegensatz zur ehemaligen First Lady bei jeder öffentlichen Veranstaltung wie ein Mensch, der für amerikanische Wahlkämpfe geboren wurde. Trotz seines hohen Alters und zahlreicher Schicksalsschläge in jüngster Vergangenheit wirkt er hochmotiviert, gut gelaunt und so enthusiastisch wie kaum ein anderer Kandidat. Der Vizepräsident hat ein sehr ansteckendes Lächeln und im krassen Gegensatz zu Clinton merkt man ihm an, dass er Menschen mag, sie ihn auch mögen und er sich nicht verstellen muss, um mit ihnen zu sprechen.
Welche Strategie könnte Biden verfolgen?
Aus Unterstützerkreisen um Biden wird berichtet, dass, sofern er sich wirklich dazu entscheidet, erneut anzutreten, die Vorwahlen von South Carolina für Biden entscheidend sein könnten. Der südliche Bundesstaat ist als dritter Staat nach Iowa und New Hampshire mit den Vorwahlen an der Reihe, und es gibt drei Gründe, die dafür sprechen, dass Biden South Carolina gewinnen könnte. Auf der Basis dieses Sieges könnte er dann aufbauen, um der 45. Präsident der Vereinigten Staaten zu werden.
Erstens ist die demokratische Partei in South Carolina sehr von der Vielfalt der Mitglieder geprägt und könnte somit gute Argumente liefern, warum der Sieger dieser Vorwahl bessere Chancen hätte, die Hauptwahl zu gewinnen als die Sieger von Iowa und New Hampshire. Vor allem der hohe Anteil afro-amerikanischer Wähler in der Demokratischen Partei in South Carolina könnte ein Vorteil für Biden sein, da er als Vizepräsident des ersten schwarzen Präsidenten der USA in dieser Community ein sehr hohes Ansehen genießt. Clinton genießt hier allerdings ebenfalls außerordentlich hohe Zustimmungswerte.
Zweitens hätte Joe Biden sehr viel Unterstützung von wichtigen Demokraten innerhalb von South Carolina sicher, die aktuellen nur auf ein Zeichen des Vizepräsidenten warten, und nur im Falle seines Verzichts Hillary Clinton unterstützen würden.
Drittens führen die Demokraten in South Carolina eine so genannte „Open Primary“ durch. Das heißt, dass nicht nur Demokraten oder unabhängige Wähler, sondern sogar auch Republikaner über den Gewinner der Vorwahl in South Carolina mit entscheiden können. Für einen Demokraten genießt Joe Biden dort ein sehr hohes Ansehen und viele Konservative könnten darüber hinaus die Gelegenheit nutzen, Hillary Clinton zu beschädigen.
Bis jetzt ist also noch nicht klar, ob Joe Biden wirklich vorhat, ins Rennen einzusteigen oder nicht. Und es ist auch nicht klar, was mit seinen Umfrage- und Zustimmungswerten passieren wird, sobald er sich offiziell erklärt. Würden sie weiter ansteigen oder würden sie, wie bei vielen anderen Kandidaten, in dem Augenblick, in dem er zum offiziellen Kandidaten wird, dramatisch abstürzen?
Für Clinton jedenfalls wäre eine Joe-Biden-Kandidatur ein handfestes Problem, da er im Gegensatz zu Bernie Sanders eine echte Alternative für die gesamte demokratische Partei der USA darstellt.
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