München - Mia san ned mehr do - Die Identitätsfrage des FC Bayern München

Mia san ned mehr do – Die Identitätsfrage des FC Bayern München

Mia san ned mehr do – Die Identitätsfrage des FC Bayern München
von Marcel Rapp

Als 17-jähriger kam Toni Kroos zum Deutschen Rekordmeister und verließ ihn 2014 nach sieben Jahren Richtung Real Madrid, der Vertrag mit Claudio Pizarro, der mehr als 200 Ligaspiele im rot-weißen Dress absolvierte, wird 2015 nicht verlängert, über Uli Hoeneß weiß Fussball-Deutschland Bescheid und Urgestein Müller-Wohlfahrt, der dem Verein ab 1977 angehörte und als Mannschaftsarzt wahre Wunder vollbrachte, packte in den vergangenen Monaten sang- und klanglos seine Koffer.

Und nun das: Galionsfigur Bastian Schweinsteiger, das Herzstück des FC Bayern München mit über 340 bestrittenen Spielen, der dem Verein in guten, wie in schlechten Phasen treu zur Seite stand und zu ihm passte wie die Weißwurst in die Bayrische Landeshauptstadt, wechselt zur kommenden Saison zu Manchester United. Trainiert wird er dort ausgerechnet vom ehemaligen Bayern-Trainer Louis Van Gaal. Der Aufschrei war groß, das Staunen ob des plötzlichen Verlustes einer der größten Leistungsträger des Vereins noch größer. Jener Van Gaal ist es nun auch, der seine Fühler nach dem nächsten und – wenn wir einmal ehrlich sind – einem der letzten Identifikationsfiguren des FC Bayern München ausgestreckt hat: Thomas Müller.

Wohin segelt Bayern-Trainer Pep Guardiola mit Verein? Was passiert mit der berüchtigten „Mia san Mia“-Philosophie, wenn der offensichtlich große Umbruch innerhalb der Mannschaft in diesem Moment stattfindet. Natürlich wird nach wie vor die Jugendarbeit groß geschrieben und Spieler wie  Gianluca Gaudino, Sinan Kurt oder Pierre Emile Højbjerg langsam in die Mannschaft integriert. Mit den Spaniern Xabi Alonso, Juan Bernat oder Thiago und aktuellen Hammertransfers wie Arturo Vidal sowie Douglas Costa versuchen die Verantwortlichen diese herben Verluste zusätzlich zu kompensieren, um auch in den nächsten Jahren national und international zur Krone greifen zu können. Doch speziell in der Rückrunde der abgelaufenen Saison mussten Fans mit ansehen, wie die parallel stattfindende Verletzungsmisere – Ribery, Robben, Pizarro, Badstuber – dem FC Bayern überhaupt nicht schmeckte. National hat es zumindest noch gereicht, für den Gewinn der Champions League hingegen nicht. Und trotzdem kämpften, ackerten und arbeiteten Schweinsteiger, Müller und Lahm, die Aushängeschilder des FC Bayern, für den internationalen Spitzen-Coup und scheiterten an der Übermacht aus Barcelona.

Wer soll denn ab kommender Saison das Gesicht der Mannschaft vervollständigen? Kroos und Schweinsteiger werden nun im Ausland für Furore sorgen, Lahm gehört mit seinen 31 Lenzen auch nicht mehr zu den Jüngsten und bei einem angeblichen 100-Millionen-Euro-Angebot für den „unverkäuflichen“ Müller könnte selbst der FC Bayern schwach werden. Wir spinnen diesen ‚Worst Case‘ für Fans einmal weiter und müssen in den kommenden Jahren also auch ohne Müller und Lahm auskommen. Wer wird in Zukunft „Mia san Mia“ in den Münchener Himmel brüllen? Wer stellt sich in einigen Jahren den kritischen Fragen der Presse, im Erfolgs- und Misserfolgsfall vor die Mannschaft und übernimmt Verantwortung? Mit wem kann sich der Besucher der Allianz Arena zukünftig identifizieren? Über wen kann sich der Sesselhocker samstags um 15:30 Uhr aufregen, um am Ende doch noch erleichtert zu sagen: „Auf den Müller konn i mi verlassn“? Der Thomas jedenfalls, wenn es hart auf hart kommt, kann nicht gemeint sein, der feiert mit Schweinsteiger und Van Gaal die Pole-Position der Premier League und darf Tage darauf im Finale der Champions League gegen Kroos und Real Madrid antreten.

Natürlich bringt dieser „Was wäre, wenn…“-Fall in der momentanen Situation nicht allzu viel und allzu pessimistisch dürfen wir auch nicht an die Sache herantreten: Die Anzeichen stehen nicht allzu schlecht, dass Müller auch noch mit 50 in der Startelf steht und Spieler wie Robben, Ribery, Alaba werden, sofern nicht verletzt, auch weiterhin die überlebenswichtigen Dreh- und Angelpunkte in wichtigen Spielen sein. Mit Lewandowski und Götze wurden zudem Weltklassespieler verpflichtet, an denen der FC Bayern noch viel Freude haben wird. Darum steht die kommende Saison nicht unter der Fragestellung „Wird es zum Sieg der Champions League reichen?“, sondern „Wird der FC Bayern durch die Neuzugänge der letzten zwei Jahre, den alten Hasen, den sogenannten „Leadern“, und jungem, aufkeimendem Gemüse zur alten „Mia san mia“-Philosophie zurückfinden?“ Das erste Mosaiksteinchen zur Antwort könnte es im Auftakt gegen den Hamburger SV geben.

Jüngst wurde Arturo Vidal in München auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Das Ergebnis: Auf der Homepage von Sport1 heißt es: „Vidal kennt „Mia san Mia“ nicht“.


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