Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer über die Push-Nachrichtendienste und ließ vielen Menschen das Blut in den Adern gefrieren: Der erst 23-jährige IS-Terrorist Seifeddine Rezgui erschoss am Strand des Hotels Imperial Marhaba im tunesischen Sousse 38 Menschen, darunter zwei Deutsche. Zu diesem Zeitpunkt hatten viele Deutsche schon ihren Sommerurlaub in Tunesien geplant und versuchten nun verzweifelt, diesen noch kostenlos umzubuchen. Die Reiseveranstalter zeigten sich gemeinhin sehr kulant.
Es war nicht der erste terroristische Anschlag auf den Tourismus in Tunesien. Im Jahr 2002 wurde in Djerba ein mit Flüssiggas beladener Lastwagen in eine Synagoge gesteuert. Bei dem grausamen Anschlag starben 22 Menschen, unter ihnen 14 Deutsche. Die Reaktion der Touristen war, in 2002 genau wie in diesem Jahr, nachvollziehbar und verständlich: Aus Angst vor weiteren Anschlägen hat man die Tunesien-Reise abgesagt oder umgebucht, denn schließlich will man gerade um Urlaub die Alltagssorgen vergessen und einfach die Seele baumeln lassen. Doch eigentlich müsste man, so schwer es fällt, genau das Gegenteil tun. Um dies zu verstehen, lohnt ein Blick auf die Hintergründe in Tunesien.
In nahezu allen Ländern kann man den arabischen Frühling als gescheitert betrachten. In Libyen herrscht nach dem Sturz Gaddafis weitestgehend Anarchie, auch Ägypten kommt nicht zur Ruhe und in Syrien tobt der Bürgerkrieg noch heute. Lediglich Tunesien hebt sich hiervon positiv ab. Nachdem sich in den ersten Wahlen zunächst die islamisch-konservative Ennahda-Partei durchsetzen konnte, ist Tunesien mittlerweile als einziges Land der arabischen Welt auf einem dezidiert säkular-demokratischen Kurs. Es ist natürlich klar, dass dies allen Islamisten ein Dorn im Auge ist und dass diese gerade jetzt mit allen Mitteln, und das schließt Terrorismus in ihren Augen explizit mit ein, versuchen, diese Demokratie ins Wanken zu bringen, um in Tunesien einen islamistischen Gottesstaat zu errichten. Dies gelingt am besten über eine Schwächung des Tourismus, dem wirtschaftlich wichtigsten Zweig Tunesiens. Dass die Strategie der Terroristen erfolgreich ist, zeigte sich nach Djerba 2002, als im ersten Jahr nach dem Anschlag zwei Drittel weniger deutsche Urlauber nach Tunesien reisten.
Dies sollte uns noch viel mehr in unserer Auffassung bestärken: Wir dürfen Tunesien jetzt nicht aufgeben! Selbstverständlich kann man von niemandem verlangen, seinen Sommerurlaub gerade jetzt dort zu verbringen. Umso stärker ist daher die deutsche Politik gefordert. Das liberale Leuchtturmprojekt in der arabischen Welt muss nun mit allen Kräften unterstützt werden. An diesem Beispiel zeigt sich, wie eine neue deutsche Entwicklungspolitik aussehen sollte, nämlich immer interessengeleitet und als Instrument der Außenpolitik. Was wir brauchen ist eine Abschaffung des Entwicklungshilfeministeriums und eine Integration ins Außenministerium, damit Entwicklungshilfe und außenpolitische Interessen der Bundesrepublik endlich miteinander verzahnt werden. Deutschland muss Tunesien in allen Belangen unterstützen, insbesondere bei der Demokratieförderung und in der Bildung, angesichts der aktuellen Lage vor allem aber auch wirtschaftlich und in Sicherheitsfragen. Die deutsche Politik muss der Welt signalisieren, dass ein Land, das sich für die Demokratie entscheidet und sich gegen Terrorismus engagiert, von der westlichen Welt nicht fallen gelassen wird. Das wäre auch ein starkes Signal an die islamisch-konservativ dominierten Staaten im arabischen Raum. Tunesien benötigt dieses Signal heute mehr denn je!
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