Iran

Eine neue Chance für den Iran

Alle reden in diesen Tagen über Griechenland. Der potenzielle Grexit bestimmte das Geschehen in unseren Nachrichten, während die Atomverhandlungen mit dem Iran meist nur sehr nachrangig behandelt wurden und im Schatten der Griechenland-Krise fast schon zur Nebensächlichkeit verkamen. Dabei ist die Einigung im Atomstreit mit dem Iran die wohl bedeutendste weltpolitische Veränderung des letzten Jahrzehnts.

Die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran liegen schon seit vielen Jahrzehnten auf Eis. Die aktuellen Bedrohungen im Nahen und Mittleren Osten, vor allem die Machenschaften des IS, zwangen die USA jedoch zum Umdenken. Außenpolitisch war der Iran im 21. Jahrhundert sehr erfolgreich. Durch die Kriege in Afghanistan und im Irak wurden seine beiden größten Nachbarländer massiv geschwächt. Insbesondere der Irak war in der Vergangenheit eine ständige Bedrohung für den Iran, kam allerdings in den letzten Jahren innenpolitisch nie zur Ruhe und schwächte sich damit selbst. Der Iran ist dadurch zur regionalen Macht aufgestiegen und kontrolliert den Großteil der schiitischen Welt, insbesondere auch über Verbindungen nach Syrien und in den Libanon. Man hat seitens der USA offensichtlich erkannt, dass es besser ist, mit dieser regionalen Macht zu verhandeln als sie zu ignorieren und zu isolieren. Gleichzeitig wurde die Last der Sanktionen für den Iran immer erdrückender. Dadurch entstand beiderseitig eine Bereitschaft zu Verhandlungen, die von der EU (vertreten durch die EU-Außenbeauftragte Mogherini sowie durch Deutschland, Frankreich, Großbritannien) geleitet wurden und an denen neben den USA und dem Iran auch Russland und China teilnahmen, so dass alle Vetomächte des UN-Sicherheitsrats vertreten waren.

 

Positive Signale aus dem Iran

Man hat gut daran getan, diese Verhandlungen aufzunehmen, denn zuletzt gab es einige positive Signale aus dem Iran. An vorderster Stelle stand die Wahl des Präsidenten Hassan Rohani, die völlig überraschend kam, weil er der einzige Kandidat der Reformer und absoluter Außenseiter war. Innenpolitisch ist der Iran weitestgehend in drei Lager gespalten: Religiöse, Nationalisten und Reformer, wobei die Religiösen immer das Zepter in der Hand halten, weil Staatschef Chamenei, oberster Rechtsgelehrter und damit politischer und geistlicher Führer des Landes, über alles wacht. Rohanis Vorgänger Ahmadinedschad war nicht etwa ein Geistlicher, sondern er war dem Lager der Nationalisten zuzurechnen und lag regelmäßig mit Chamenei im Clinch, so dass es oft zu Pattsituationen kam.

Durch die Wahl Rohanis sendete die iranische Bevölkerung ein klares Signal in Richtung Reformer und gegen die Geistlichkeit und die Nationalisten. Aber auch Rohani unterliegt den machtpolitischen Konstellationen im Iran und wusste, dass er seine Reformen zaghaft angehen muss, weil Chamenei nach wie vor über allem wacht und die Mittel hätte, ihn aus dem Amt zu jagen. Die Reformschritte Rohanis mussten daher sehr zaghaft und im Einklang mit der religiösen Führung erfolgen. Dadurch dass er den Juden öffentlich zum Neujahrsfest gratulierte oder dass er Maryam Mirzakhani, der iranischstämmigen Gewinnerin der Fields-Medaille, gratulierte, obwohl sie auf dem beigefügten Foto kein Kopftuch trägt, stellt er seine reformerische Haltung öffentlich zur Schau. Dies mögen für uns kleine und bedeutungslose Schritte sein, die selbstverständlich längst nicht ausreichen, die jedoch bei den Geistlichen im Iran einen Sturm der Entrüstung auslösten. Als seinerzeit unter Präsident Rafsandschani, dem letzten Reformer vor Rohani im Amt, positive Signale ausgesendet wurden, erstickte der damalige US-Präsident George W. Bush diese im Keim, als er den Iran ohne Not und konkreten Anlass zur Achse des Bösen hinzurechnete. Dass Obama ihm dies nicht gleichtat, sondern eine erneute Reformperiode zum Anlass nahm, um Verhandlungen aufzunehmen, war der richtige Schritt.

 

Das Verhandlungsergebnis – ein voller Erfolg

Die Ergebnisse der Atomverhandlungen sind ein Erfolg auf voller Linie. Zum einen deshalb, weil erneut unter Beweis gestellt wurde, dass Diplomatie und Dialog immer erfolgreicher sind als politische Isolation und Aufrüstung. Die Weltgemeinschaft kann durch das Ergebnis der Verhandlungen nun sicherstellen, dass der Iran keine Atomwaffen herstellen kann. Doch das Abkommen sieht Übergangsfristen und Gegenmaßnahmen vor. Sollte der Iran sich nicht an die Vereinbarungen halten, so ließen sich die Erleichterungen umgehend wieder zurücknehmen. Das Ergebnis ist aber auch deshalb ein Erfolg, weil Russland mit am Tisch saß und sich gezeigt hat, dass man, trotz der zahlreichen aktuellen Konflikte und Meinungsverschiedenheiten mit Russland, in der Lage ist, punktuell im gemeinsamen Interesse zusammenzuarbeiten. Man ist höchst professionell mit diesem Sachverhalt umgegangen und hat bewiesen, dass Diplomatie auch in Zeiten der Anspannung logisch ist. Die Welt ist diese Woche ein Stück sicherer geworden.

Vor allem aber ist das Ergebnis deshalb ein Erfolg, weil es ein weiterer Schritt in Richtung Freihandel ist. Ich bin überzeugt davon, dass Freihandel, neben den positiven wirtschaftlichen Effekten auf allen Seiten, immer auch ein Stück Friedensgewinn ist. Denn durch den Austausch von Gütern entsteht immer auch ein Austausch zwischen den Menschen verschiedener Länder. Durch diese kulturellen Verbindungen und die wirtschaftlichen Verknüpfungen entstehen Gemeinsamkeiten – insbesondere ein gemeinsames Verständnis füreinander. Das Gegenteil dessen durfte die iranische Bevölkerung in den letzten Jahren erfahren. Wir Europäer spürten die Sanktionen gegenüber dem Iran primär über den Ölpreis und über exotischere Artikel aus dem Iran wie zum Beispiel Rosenwasser, doch wir hatten andere Handelspartner, die dies weitestgehend substituieren konnten. Für die Menschen im Iran war dies jedoch nicht möglich, so dass diese unter den Embargos zu leiden hatten.

 

Der größte Gewinner

Der größte Gewinner der Einigung, und das ist der große Kontrast zu Griechenland, ist die Mittelschicht im Iran, die zuletzt sehr viel Leid ertragen musste. Dies schließt insbesondere auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen mit ein, von denen sehr viele vom In- und Export abhängig waren und für die das Embargo einen harten wirtschaftlichen Einschnitt bedeutete. Durch die Aussicht auf neue wirtschaftliche Öffnung werden die Menschen im Iran nun wieder Handel betreiben können und die Konsumgüter einkaufen können, die sie zum täglichen Leben benötigen und die ihren Lebensstandard erhöhen. Als Betrachter von außen kann man auf Grundlage der Medienberichterstattung den Eindruck gewinnen, die Menschen im Iran seien überaus religiös. Gerade aber die jungen Leute in den großen Städten leben einen dezidiert westlichen Lebensstil, betrachten die Restriktionen durch die Geistlichkeit als unberechtigten Eingriff in ihre Lebensfreiheit und wünschen sich ein Leben nach westlichem Konsummuster. Das Abkommen dürfte daher nicht nur einen Boom im Handel, sondern auch in der Binnennachfrage auslösen.

Sollte sich die Periode der Öffnung weiter fortsetzen und sollte der Grad der wirtschaftlichen Freiheit weiter zunehmen, dann hat der Iran das Potenzial, zum bedeutsamen Schwellenland zu werden. Der Iran hat, auch auf Grundlage seiner Jahrtausende alten kulturellen und politischen Tradition eine hervorragend ausgebildete junge Bevölkerung und darüber hinaus zahlreiche bedeutende natürliche Ressourcen, vor allem Öl. Die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Westen, die bestehenden Embargos und die religiösen Beschränkungen haben das Land bisher daran gehindert, sein volles Potenzial zu entfalten. Wer weiß, vielleicht sprechen wir in Zukunft nicht mehr nur von den „BRICS-Staaten“ Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, sondern stattdessen von den „BRICSI-Staaten“ einschließlich des Iran. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde in dieser Woche getan.


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Kommentare

3 Antworten zu „Eine neue Chance für den Iran“

  1. Avatar von Martin
    Martin

    Ich muss einen Punkt korrigieren: Der Reformpräsident des Iran zur Amtszeit von George W. Bush war nicht Rafsandschani, sondern Mohammad Chātami (https://de.wikipedia.org/wiki/Mohammad_Ch%C4%81tami).

    Israel ist über das Abkommen ja nicht so glücklich und sieht seine Sicherheit gefährdet. Wie schätzt ihr die Lage ein, sind die israelischen Bedenken berechtigt?

  2. Avatar von Johannes Fritz
    Johannes Fritz

    Freilich sind sie das, die wöchentlichen „Marg bar Israil, Marg bar Amrika“ Rufe sind keine Folklore, die meinen das wirklich so. Abgesehen von der Kernwaffengeschichte – das Abkommen ist buchstäblich das Papier nicht wert, 24 Tage Frist vor Kontrollen sind ein Witz – werden die vielen Milliarden in die noch größere Unterstützung von Irans Interessen in der Region fließen. Da muss man nun wirklich kein Prophet sein,
    Sprich: Gewalt und Terror in noch größerem (!) Maß, als die Mullahs sowieso schon produzieren. Hierunter, obacht Ironie, werden nicht zuletzt amerikanische Staatsbürger sowie Verbündete der USA ziemlich konkret leiden.
    Fazit: Tolle Idee, mit den Torktazi-Massenmördern, die Iran besetzt halten und das Volk – nicht zuletzt mit deutscher Technologie – unter der Knute halten – einen unterirdisch schlechten Deal auszuhandeln. Obamas „Legacy“ war halt wichtiger.
    Würde ich sagen, wenn ich weltlich denken würde. So aber ist die Sache klar, der Allmächtige weiß genau, wie er die Mullahs und BHO(pbuh) zu seiner Ehre nutzen kann und er hat die souveräne Kontrolle. Es läuft exakt nach Plan.

  3. Avatar von Johannes Fritz
    Johannes Fritz

    Kleiner Nachtrag: Wie jetzt bekannt wurde, sind die „Snapback“ Sanktionen nie Thema bei den Verhandlungen gewesen. Das wurde der Öffentlichkeit nur vorgelogen. Die Sanktionen sind Geschichte. Danke, BHO.
    Zutritt gewähren zu den sog. militärischen Anlagen will Iran natürlich auch keinem Inspekteur.
    Und sich selbst inspizieren [!] will Iran. Klingt wie ein Witz, ist aber vermutlich nicht so gemeint.
    Um hier nur mal kurz drei zufällig ausgewählte Nachrichten angeführt zu haben, es gibt selbstverständlich noch viel mehr schlechte News zum Irandeal. Insofern ist das natürlich eine „Chance für Iran“. Gabriel war zu Wirtschaftsgesprächen da, die Schweiz macht direkt wieder Geschäfte und so weiter. There is money to be made. Nur dumm, wenn man schwul ist, dann endet man am Baukran. Oder christlicher Pastor, dann bleibt man im Folterknast. Oder Oppositioneller, dann wird man mit Technik von Nokia und Siemens im besten Big Brother Stil überwacht und unterdrückt.

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