Es gibt wohl niemanden, der dieser Tag keine dezidierte Meinung zum gefühlt xten GdL-Streik hat, der aktuell die Bahnpendler der Republik zur Verzweiflung bringt. Getreu dem Motto ‚Lokführer, erkenne deine Macht! Alle Züge stehen still, wenn dein – zugegebenermaßen etwas teigiger – Arm es will!‘ lässt sich die GdL zum wiederholten Mal auf eine Machtprobe mit dem Ex-Monopolisten DB ein. Dabei geht es anders als sonst üblich weniger um Arbeitszeiten, Entlohnung oder Karrierepläne einzelner Gewerkschaftsführer, sondern im Kern um die Frage, welche Personalgruppen von der GdL vertreten werden dürfen, oder um es polemischer zu formulieren, ob die GdL im Revier anderer Gewerkschaften wildern darf.
Bevor jetzt das mittlerweile geläufige Lied vom Egotrip des Herrn Weselsky angestimmt wird, sollte man bedenken, dass die Bahn und Großgewerkschaften wie Ver.di die Zustimmung der letzten Monate tatkräftig mitbefeuert haben, indem sie hinter den Kulissen Druck auf die Regierungsparteien gemacht haben, per Gesetzgebung die aufmüpfigen Spartengewerkschaften doch gefälligst an die Kandare zu nehmen. Herausgekommen ist das geplante Tarifeinheitsgesetz aus dem Hause Nahles, dass kleinen aber schlagkräftigen Gewerkschaften wie dem Marburger Bund, CockPit oder eben der GdL die Zähne ziehen soll.
Man kann die Verhältnismäßigkeit der gewählten Streiks durchaus in Frage stellen, aber für die GdL geht es mittlerweile auch um proaktiven Selbstschutz – nur wenn sie eine ausreichende Masse an Beschäftigten innerhalb des DB-Konzerns unter ihrem Dach versammeln kann, so dass sie die meisten gewerkschaftlich organisierten Konzernangestellten vertritt, wird sie nach den Plänen der Bundesregierung auch in Zukunft für die Interessen ihrer Mitglieder in Tarifverhandlungen mit der Konzernführung eine Rolle spielen.
Man könnte jetzt natürlich die Henne-oder-Ei-Diskussion führen, ob das aggressive Vorgehen strategisch wichtiger Berufsgruppen bei Tarifkonflikten das Konzept der Tarifeinheit auf die Tagesordnung gebracht haben, oder ob umgekehrt die z.T. jahrzehntelange Praxis der großen DGB-Mitgliedsgewerkschaften, die Interessen ihrer Mitglieder auf Kosten kleinerer Spartengewerkschaften in Tarifverhandlungen durchzusetzen, erst deren aggressivere Verhandlungsstrategien erforderlich gemacht haben.
Tendenziell ist aber zu beobachten, dass die Tarifautonomie zunehmend von der Politik mit massiver Schützenhilfe der Big Player des DGB ausgehöhlt wird. Ob nun staatliche Mindestlöhne – erst branchenspezifisch, jetzt generell – oder Arbeitsschutzgesetze, die von der Spindgröße bis zum Anteil an Tageslicht, der jedem Angestellten am Arbeitsplatz zusteht, gibt es eine zunehmende Tendenz, alles mögliche, was in Tarifverhandlungen bisher von Gewerkschaftsseite nicht durchzusetzen war, ob es nun an der mangelnden Organisation der jeweiligen Gewerkschaft oder der Absurdität der Forderung lag, über die Hintertür durch den Gesetzgeber einzuführen.
Wir sind in Deutschland eigentlich bisher ganz gut damit gefahren, die Politik auf die Rahmengestaltung im Arbeitsrecht zu beschränken und die Tarifverhandlungen den Vertretern von Arbeitnehmern und -gebern zu überlassen. Das hat über Jahrzehnte dazu geführt, dass sozialer Fortschritt und finanzielle Teilhabe der Arbeitnehmer an der steigenden Produktivität in der Regel im Einklang mit den harten ökonomischen Realitäten der Belastungsfähigkeit der Wirtschaft im internationalen Wettbewerb stand. Wenn daraus jetzt aber ein Spiel nach dem Motto ‚Und bist du nicht willig, so gebrauch‘ ich Gewalt‘ wird, bei der die Gewerkschaften mit der Politik über Bande spielen um ihre Vorstellungen durchzusetzen, wird sich das mittel- bis langfristig auch auf die Beschäftigtenzahlen hierzulande durchschlagen.
Wenn eine Gewerkschaft es aber wie jüngst die GdL schafft, sich auch ohne Schützenhilfe der Politik Gehör zu verschaffen, ist auf einmal der Aufschrei groß. Es muss jeder für sich entscheiden, ob er in der Abwägung eher auf Seiten der klassischen Tarifautonomie oder eines politisch durchregulierten Arbeitsmarkts steht. Statt nach Tarifeinheit zu schreien, wäre es vielleicht hilfreicher, den butterweichen Begriff der Verhältnismäßigkeit im Streikrecht eindeutiger zu definieren, um den Gerichten auch eine Handhabe zur Untersagung von Streiks zu geben. Auch eine Mediationspflicht vor Streikmaßnahmen wäre ein vergleichsweise harmloser Eingriff. Weiter gedacht ließen sich Kollateralschäden beim Konflikt zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber auch durch einen Schadensersatzanspruch unbeteiligter Dritter gegenüber der streikenden Gewerkschaft oder dem bestreikten Konzern reduzieren.
Und zu guter Letzt ist es für einen Liberalen ja nur begrüßenswert, wenn dank der ständigen GdL-Streiks die DB-Kunden zunehmend Fernbusse oder andere Reisemöglichkeiten als Alternative zur Bahnreise entdecken, und damit die DB dauerhaft ernstzunehmende Konkurrenz im Fernverkehr erhält. Oder wie es Sixt so schön in seiner Werbung formuliert hat „(Claus Weselsky) Schon wieder Mitarbeiter des Monats.“
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