Spanien Ada Colau

Die Wahl 2015 in Spanien – Teil 4 – Das Ende des Zweiparteiensystems

Vor zwei Wochen berichteten wir im jüngsten Beitrag unserer Spanien-Reihe über die bevorstehenden Regional- und Kommunalwahlen. In unserer Prognose sollten wir Recht behalten: Die auf nationaler Ebene regierende konservative Partido Popular (PP) musste erdrutschartige Verluste hinnehmen, die sozialdemokratische PSOE konnte keinen Aufschwung verzeichnen und die linke Partei Podemos sowie die Liberalen Ciudadanos zogen flächendeckend in die Parlamente ein.

 

Aus zwei mach vier

Das Wahlergebnis der vergangenen Woche ist der wohl bedeutendste politische Umbruch Spaniens seit dem Sturz der Franco-Diktatur, denn in der Konsequenz läutete er das Ende des spanischen Zweiparteiensystems ein. Seit jeher dominierten PP und PSOE das politische Geschehen in Spanien, ähnlich wie Union und SPD in Deutschland. Ähnliche Stimmen wurden in Deutschland laut als Union und SPD bei der Bundestagswahl 2009 nach vier aufreibenden Jahren der großen Koalition starke Stimmenverluste hinnehmen mussten. In Spanien sind die Effekte aber noch deutlich relevanter. Während sich die Union noch heute zumindest in Reichweite einer absoluten Mehrheit befindet, sind die beiden spanischen Volksparteien doch sehr deutlich in der Wählergunst gesunken – aktuell befindet man sich jeweils im Bereich von 25% und selbst eine große Koalition hätte in Spanien unter Umständen keine sichere Mehrheit. Während Linke, Grüne und FDP in Deutschland noch einen gehörigen Abstand auf die PSOE haben, sieht es in Spanien so aus, dass mit Podemos und Ciudadanos zwei Konkurrenten herangereift sind, die aktuell in Schlagdistanz zu den beiden Volksparteien sind. Selbstverständlich wird man beobachten müssen, ob dieser Effekt von Dauer ist oder ob die beiden Neuen, sobald sie in Regierungsverantwortung kommen, dem Vertrauenskredit der Wähler gerecht werden können.

 

Die PP zerfleischt sich selbst

Die Verluste der PP waren deutlicher als zunächst erwartet. In den 13 Regionen, in denen gewählt wurde, verlor die PP in vier Regionen ihre absolute Mehrheit und in drei Regionen (in denen sie bisher in einer Minderheitsregierung das Sagen hatte) ihre relative Mehrheit. Die herbsten Verluste müsste man in der Region Valencia hinnehmen, wo man von knapp 49% auf. rund 26% absackte, sowie in Murcia, wo man von fast 59% auf nur noch 37% fiel. Das Desaster auf kommunaler Ebene war genauso fatal: Vor der Wahl hatte die PP in 30 der 52 Provinzhauptstädten die absolute Mehrheit – bis auf eine einzige Ausnahme hat sie diese am Sonntag allesamt verloren.

In Folge dessen droht sich die PP nun selbst zu zerfleischen. Regierungspräsident Mariano Rajoy wird die PP-Generalsekretärin Dolores de Cospedal ihres Amtes entheben, um sie, sich selbst und seine Partei zu schützen, denn Cospedal wurde von vielen als Hauptverantwortliche ausgemacht. Zudem wird es eine Kabinettsumbildung geben, da Bildungsminister José Ignacio Wert aus privaten Gründen darum bittet, zurücktreten zu dürfen, mit der Begründung, dass seine Lebensgefährtin Montserrat Gomendio eine führende Funktion in der OECD mit Sitz in Paris antreten wird.

Letztendlich sind all dies aber Ablenkungsmanöver, die das öffentliche Interesse an einer dezidierten Analyse der politischen Bankrotterklärung der PP abschwächen soll. Tatsache ist, dass die PP unter Regierungspräsident Rajoy nicht mehr erreicht und ideenlos wirkt. Bestes Indiz hierfür ist, dass man nicht einmal mehr artikulieren kann, wofür man steht und welche Vision man hat, sondern man beschränkt sich auf die Aussage, ohne die PP gäbe es ein Chaos wie in Griechenland. Mit solch einer inhaltsleeren Politik kann man keine Wählerherzen gewinnen.

 

Linksrutsch in den Metropolen

In den beiden großen Metropolen Barcelona und Madrid gab es indes einen Linksrutsch. In Barcelona konnte Ada Colau mit ihrem Bündnis “Barcelona en Comú” (katalanisch für “Barcelona gemeinsam”) die meisten Sitze im Stadtrat erringen und somit auch die Bürgermeisterwahl für sich entscheiden. Es handelt sich dabei um eine Bürgerbewegung, die von der linken Podemos unterstützt wird. Ein ähnliches Bild in Madrid: Dort konnte Manuela Carmena mit ihrer Liste Ahora Madrid (“Jetzt Madrid”), ebenfalls unterstützt von Podemos, hinter der PP mit ihrer amtierenden Bürgermeisterin Esperanza Aguirre zwar nur die zweitmeisten Stimmen auf sich vereinen. Allerdings könnte sie sich mit Unterstützung der PSOE zur Bürgermeisterin wählen lassen.

Es wäre allerdings fatal zu glauben, dass dieser messbare Linksrutsch ein Sieg für die linke Podemos ist. Denn Colau und Carmena waren keine Parteikandidatinnen, sondern Spitzenkandidatinnen von Bürgerbewegungen. Podemos sprang nur auf diesen Zug auf indem man die Unterstützung zusagte. In etwa so als würde die Partei Die Linke in Deutschland die Unabhängigen Wählergemeinschaften bzw. die Freien Wähler unterstützen. Da diese aber auf nationaler Ebene nicht antreten, ergibt sich dort ein anderes Bild: Podemos ist hinter PP und PSOE noch immer nur dritte Kraft, dicht gefolgt von den Ciudadanos.
Der Erfolg der linken Bürgerbewegungen ist also nicht etwa ein Sieg der politischen Linken, sondern es ist ein klares Statement der Wähler, dass sie den etablierten Parteiensystem nicht mehr vertrauen und stattdessen lieber Bürgerbewegungen unterstützen.

 

Die bisherigen Teile unserer Reihe über die Wahl 2015 in Spanien:

Teil 1 – Die Wahl 2015 in Spanien

Teil 2 – Der Kampf der Unabhängigkeit in Katalonien

Teil 3 – Die andalusische Heide Simonis


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Kommentare

4 Antworten zu „Die Wahl 2015 in Spanien – Teil 4 – Das Ende des Zweiparteiensystems“

  1. […] sehr stark an die Koalition der linken Parteien mit den basisdemokratischen Bürgerbewegungen, die bei den Kommunalwahlen beeindruckende Erfolge feierten und nun die Bürgermeisterinnen der beiden größten Städte Madrid und Barcelona stellen. Ein […]

  2. […] von unserer Medienlandschaft verschlafen wurde, ist das Ende des Zweiparteiensystems in Spanien, das wir schon im Mai prognostizierten und auch so am Sonntag eintreten wird. Die Politik in Spanien wurde seit dem Sturz Francos […]

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