Ausflug nach Dortmund

Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt; ist es besser, viel besser als man glaubt.

Die Rede ist dieses Mal leider nicht von Bochum, sondern von Dortmund. Nicht der Stadt Dortmund, diese mag so schön sein wie Bochum, ich hab beide noch nicht wirklich intensiv von innen betrachtet. Viel mehr ist die Rede von einer Institution, die mir schon fast als Religion erscheint und zunehmend als ultima ratio gefeiert wird.

 

Szenensprung

Ich sitze in einem stickigen, kellerartigen Raum. Deutscher Teppichboden erstreckt sich von den dreckigen Fenstern bis zu den kargen Wänden. Es scheint fast so, als würde er auch langsam die Tischbeine der sinnlos angeordneten Schreibtische empor wachsen. Auf diesen Schreibtischen liegen Broschüren zur Berufsberatung, zum Studium, einfach zu allem und aus jeder Zeit. Ein unfreiwilliges Archiv.

Ich warte. Auch wenn es sich bei der Institution nicht offiziell um ein deutsches Amt handelt, muss es doch eng mit einem verwandt sein. Preußisch veranlagt, wie ich es nun einmal bin, fühle ich mich direkt heimisch hier. Werde ich doch an die schönen Momente im Wartesaal meines Bezirksrathauses erinnert. Leider musste ich noch keine Nummer ziehen. „Hier bekommen wir nicht viel Besuch“, klärt mich der Hausmeister auf, nachdem er mich zur Tür hineingelassen hat. Ich bin verwundert, nutzen doch viel tausend Menschen den Service dieser Einrichtung jedes Jahr. Lustigerweise, gehöre ich nicht einmal zu diesen Menschen. Ich bin einfach nur Neugierig. Und außerdem bin ich einfach so deutsch, dass ich Verwaltungs-Seeing mache. Alleine die Tatsache, dass über die Zukunft vieler Tausend Menschen entschieden wird, macht mich an!

Irgendwann, ich weiß gar nicht, wie lange es her ist, dass der Hausmeister die Wählscheibe des grünen Haustelefons drehte, um mich anzukündigen, kommt eine Mitarbeiterin dieser Einrichtung auf mich zu. Wie ich dieses Geräusch der Wählscheibe vermisse, seit sie es in der Beschwerdestelle meines Bürgeramtes durch ein modernes mit Tasten ersetzt haben, bin ich auf Entzug.

„Guten Tag“, begrüße ich sie angemessen förmlich. Halte ihr meine Hand entgegen. „Was kann ich für sie tun?“, sie ignoriert meine Hand. „Ja, das ist ganz leicht. Ich wollte nur mal kurz fragen, wie das hier funktioniert.“

„Hä?“

„Ja, wie sie das hier machen?! Was sie hier machen, weiß ich ja. Aber wie das geht.“

„Ach so, ja da müssen sie meinen Vorgesetzten fragen, aber der macht gerade Mittag.“
Ich blicke auf die Uhr. 10:30h. Stimmt, ich bekomme auch langsam Hunger“

 

Erneuter Sprung

Wo spielt wohl diese kleine Anekdote? Zugegeben, es ist nicht ganz leicht. So, oder zumindest so ähnlich, hat es sich während meines Besuchs in der Stiftung für Hochschulzulassung (kurz: SfH) oder früher mal Zentralstelle für Vergabe von Studienplätzen (ZVS) zugetragen. Durch die verschiedenen Krisen die unser Land und die Welt erschüttern, wird die Forderung nach der Wiedereinführung der ZVS unter den Tisch gekehrt. Natürlich ist es keine neue Forderung, aber immer noch eine aktuelle.

Die ZVS soll folgendes Problem beheben: Abiturienten haben vor, ihr Wunschstudium zu beginnen. Dazu bewerben sie sich an verschiedenen Hochschulen, da sie nicht vorher wissen können, wo sie angenommen werden. Wenn ein Bewerber sich jedoch für einen Studienplatz entscheidet, aber von mehreren Hochschulen angenommen wurde, dann bleiben – so die aktuelle Lage – Plätze unbesetzt. Es folgt ein scheinbar kaum zu bewältigender Verwaltungsakt, inklusive Nachrückverfahren.

Um dies zu vermeiden, soll eine zentrale Stelle diese Verwaltung übernehmen. Ganz früher mit dem schneidigen Namen: Zentrale Registrierstelle. Herrlich!

Das Problem an dieser Einrichtung ist nicht die Idee, Verwaltung an den einzelnen Hochschulen abzubauen. Sondern viel mehr, dass so Verantwortung und Zuständigkeit in guter preußischer Manier an eine andere Stelle abgegeben werden kann.

Die Frage ist immer noch, wie funktioniert das eigentlich mit dieser zentralen Vergabe. Natürlich, zunächst werden die mit den besten Abiturnoten zugelassen und der Numerus Clausus ermittelt. Was aber passiert dann? Nach welchen Kriterien werden Personen mit gleichem NC sortiert? Auf diese Frage gibt es keine echte Antwort.

Ein Computerprogramm ermittelt die Personen zufällig. Dies war auch die Antwort, welche ich bei meinem Besuch erhielt.

Ein Computer trifft Entscheidungen, die Einfluss auf das Leben vieler Menschen haben. Schlimmer noch: Die Befürworter der ZVS und eines solchen Vergabesystems vertrauen offensichtlich blind einem System, das geprägt ist von Bürokratie, Verwaltung und Teppichboden. Sollte aber nicht viel mehr der Mensch im Mittelpunkt stehen? Was auch die Frage erlaubt, in wie weit der Abiturdurchschnitt überhaupt ein sinnvolles Kriterium ist, um eine Sortierung für Zulassungen zu Studiengängen zu legitimieren.

Aber immer noch mehr, das Vertrauen in die Weisheit eines Computerprogramms!

Die Absurdität dieser Einrichtung wird offenbar, wenn man es in die echte Welt, außerhalb staatlicher Monopole überträgt. Eine Zentrale Vergabe, via Computerprogramm für Bewerber auf Jobs,  klingt zwar wie der Mittelpunkt eines feuchten grünen Traums, ist aber mit der Realität eines pluralistischen und kapitalistischen Systems nicht zu vereinbaren!

 

Sprung zurück

Ich lasse das grüne, angestaubte Gebäude hinter mir. Es war ein schöner Ausflug und ich nehme mir vor, nochmal wieder zu kommen. Aber das habe ich über den Erfurter Zoo auch mal gesagt.


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