Als wir in der vergangenen Woche den ersten Teil unserer Reihe über die Wahl 2015 in Spanien veröffentlichten, hätten wir wohl kaum gedacht, dass sich die Ereignisse so überschlagen, dass wir schon eine Woche später über die neuesten Entwicklungen berichten würden.
Grund hierfür ist die Ankündigung von Artur Mas, dem Präsidenten der Generalitat de Catalunya, der katalanischen Regionalregierung, im Falle eines erneuten Erfolgs bei den Regionalwahlen in Katalonien am 27. September diesen Jahres, binnen 18 Monaten die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien zu erklären.
Um dieses Verlangen nachvollziehen zu können, lohnt ein kurzer Blick in die Geschichte. Katalonien war seit jeher ein von Spanien weitgehend unabhängiges Königreich mit eigener Sprache und Kultur. Auch am Anfang der 1930er Jahre war es weitestgehend autonom. Dann ergriff jedoch Franco die Macht und unterjochte Katalonien. Die katalanische Sprache wurde verboten und alle Straßennamen mussten ins Spanische (oder genauer gesagt: ins Kastilianische) übersetzt werden. Spanien wurde sehr zentralistisch regiert und der Hass der unterdrückten Katalanen auf den spanischen Zentralstaat wuchs.
Nach dem Sturz Francos wurde Katalonien wieder etwas mehr Freiheit gewährt. Heute ist es so, dass wieder alle Straßennamen auf Katalanisch sind und dies auch die Muttersprache der Katalanen ist, während Spanisch als erste Fremdsprache in Grundschulen unterrichtet wird. Katalonien ist die wirtschaftlich stärkste Region Spaniens und muss viele Transferzahlungen an die ärmeren Regionen leisten. Die Mehrheit der Katalanen sehnt sich daher nach einem eigenen Staat mit eigener Sprache und wirtschaftlich unabhängig als Teil der Europäischen Union. Während man aber in Schottland ein entsprechendes Referendum erlaubt hat, wurde ein geplantes Referendum in Katalonien von der Regierung in Madrid bereits im Vorfeld für unzulässig erklärt, so dass es nur eine Art symbolische Abstimmung war.
Derzeit wird Katalonien von einer Minderheitsregierung der Convergència i Unió (CiU) des Präsidenten Artur Mas regiert. Die CiU ist jedoch keine eigene Partei, sondern eine Art Zusammenschluss der bedeutenden liberalen Convergència Democrática de Catalunya und der deutlich kleineren christdemokratischen Unió Democràtica de Catalunya. Gemeinsam mit der linken Esquerra Republicana de Catalunya (ERC – republikanische Linke) bilden sie das Lager der Separatisten. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die ERC die Initiative von Mas und der CiU unterstützt. Alle anderen Parteien im spanischen Regionalparlament – de facto die lokalen Ableger der großen Parteien im Kongress in Madrid – sind gegen eine Unabhängigkeit.
Der Vorstoß von Mas sieht einen Fahrplan für die nächsten 18 Monate zur Entwicklung eines unabhängigen Staates vor. Die hierfür notwendigerweise zu klärenden rechtlichen und technische Fragen sollen gelöst und eine entsprechende Verfassung ausgearbeitet werden. Am Ende dieses Prozesses würde eine Abstimmung über die Verfassung eines katalanischen Nationalstaates den Weg in die Zukunft bereiten. Es steht allerdings außer Frage, dass die spanische Regierung diesen Alleingang nicht akzeptieren wird. Dort ist man nach wie vor entschieden gegen die katalanische Unabhängigkeit. Das weiß sicherlich auch Artur Mas. Dieser dürfte seine Initiative auch als eine Art Vertrauensfrage in Bezug auf das weitere Vorgehen verstehen, denn zuletzt bröckelten die Zustimmungswerte einer katalanischen Unabhängigkeit aufgrund der Erkenntnis, dass Spanien dies niemals akzeptieren würde. Mit dieser neuen Zuspitzung versucht Mas nun erneut, die Massen hinter sich zu bringen und den Druck auf Madrid zu erhöhen. Das Thema der Unabhängigkeit bleibt damit in den Medien präsent.
Besonders brisant wird diese Frage, weil die Regionalwahl in Katalonien am 27. September, und somit vor den nationalen Wahlen im Dezember, stattfindet. Das Ergebnis wird den Wahlkampf auf nationaler Ebene also massiv beeinflussen. Derweil befindet sich die national regierende PP aktuell in einer Existenzkrise, weil die Wahlschlappe bei den andalusischen Regionalwahlen tiefe Wunden hinterlassen hat. Man versucht sich nun auf den letzten Drücker neu zu erfinden, um bei den nationalen Wahlen im Dezember nicht in einem Debakel unterzugehen. Auch die Auflösungstendenzen der UPyD setzen sich weiter fort, breite Massen wechseln zu den Ciudadanos, so dass das erhoffte breite liberale Bündnis in greifbare Nähe gerückt ist. Wir dürfen uns weiterhin auf einen spannenden Wahlkampf in Spanien freuen!
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