Vorratsdatenspeicherung – Bruch mit dem Rechtsstaat

Es geht nicht um die Frage von zehn Wochen oder zwölf oder vier. Im Kern geht es darum, wieviel Freiheit es noch geben kann, wenn die Grundannahme ist, dass jeder potentiell verdächtig ist. Bei der Vorratsdatenspeicherung geht es um den Bruch mit einem zentralen Prinzip des Rechtsstaats. Umso schwerer wiegt dies, weil Telekommunikation im Informationszeitalter im Grunde ein komplettes Persönlichkeitsabbild beinhaltet. Die Vorratsdatenspeicherung bildet ab, wer wann wo ist, wer wann mit wem und wie lange kommuniziert – ein umfassendes Bild der sozialen Kontakte und der Lebensgewohnheiten also. Das Bundesverfassungsgericht sah darin zu Recht die Gefahr, dass sich die Menschen aufgrund dessen nicht mehr frei entfalten, dass sie sich selbst in ihrer Freiheit beschränken, damit bestimmte Tatsachen nicht gespeichert werden. An dieser Stelle kommt unweigerlich der Einwand, das beträfe ja nur denjenigen, der ohnehin etwas zu verbergen hätte. Genau da zeigt sich, dass Union und, wie man jetzt mal wieder vor Augen geführt bekommt, auch die SPD ein gänzlich anderes Verständnis des Rechtsstaats haben. Nach dieser Lesart will nur derjenige, der sich strafbar verhält, dass sein Verhalten nicht an die Öffentlichkeit gezerrt wird. Für alle anderen gilt für die Verfechter dieser Haltung, dass es ihnen ja nichts ausmachen könne, wenn in ihrem Leben andere wie in einem Buch lesen können. Diese Haltung wurde sehr prägnant von Google-Chef Eric Schmidt vorgetragen: „If you have something that you don’t want anyone to know, maybe you shouldn’t be doing it in the first place.“ Genau dazu führt die Vorratsdatenspeicherung: Zu einem Ende der Unbefangenheit, einfach mal jemandem eine SMS zu schicken.

Die Vorratsdatenspeicherung wird nicht dadurch besser, dass Herr Maas sie jetzt Höchstspeicherfrist nennt. Sie wird nicht dadurch besser, dass Herr Maas einen „besonders strengen“ Richtervorbehalt ankündigt – was auch immer damit gemeint sein mag. Die Erfassung von Bewegungsprofilen wird nicht dadurch verhindert, dass die Standortdaten nach vier Wochen für den Abruf durch die Polizei nicht mehr zur Verfügung stehen sollen. Der Schutz von besonderen Vertrauensverhältnissen, die für unseren Rechtsstaat konstituierend sind, wie etwa zwischen Arzt und Patient oder Anwalt und Mandant wird durch Verwertungsverbote nicht gewährleistet, denn trotzdem werden die Daten zunächst umfassend gespeichert und den Sicherheitsbehörden der Zugriff ermöglicht. Da hilft es nicht, wenn Herr Maas meint, mit einer – nach dem Zugriff auf die Daten zu gebenden – Information der Betroffenen und der damit dann verbundenen Möglichkeit, sich als Anwalt oder Arzt zu erkennen zu geben, sei das Problem gelöst. Das ist Augenwischerei.

Der von der Bundesregierung nun angekündigte Gesetzentwurf aufgrund der zwischen Bundesinnenminister de Maiziére und Bundesjustizminister Maas vereinbarten Eckpunkte ist und bleibt ein Verrat an den Grundrechten. Es ist anzunehmen, dass daraus ein Gesetz wird, das von der Mehrheit der großen Koalition auch unterstützt wird. Es ist richtig, dass nach der Verkündung des Gesetzes dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt werden wird. Aber es wäre besser, wenn wir nicht auf Karlsruhe vertrauen müssten, sondern wenn es gar nicht erst zu einem solchen Gesetz kommt und eine Mehrheit im Bundestag die Grundrechte achten würde.

Herr Maas hat noch im Dezember vollmundig verkündet, es werde kein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung geben. Die Halbwertzeit dieser Aussage war erschreckend kurz. Wir müssen jetzt den Menschen in unserem Land klarmachen, dass es nur eine Garantie dafür gibt, dass Grundrechte für länger als zwischen Weihnachten und Ostern geachtet wird, die Freien Demokraten!

Gisela Piltz ist Bundesvorstandsmitglied der Freien Demokraten und war von 2002 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestag. In ihrer Fraktion war sie als innenpolitische Sprecherin zuständig für Datenschutzpolitik.

 


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2 Antworten zu „Vorratsdatenspeicherung – Bruch mit dem Rechtsstaat“

  1. […] Quelle: Lesen Sie den Originalbeitrag ungekürzt bei: Vorratsdatenspeicherung – Bruch mit dem Rechtsstaat | Guns and Burgers. […]

  2. Avatar von Reiner Schöne
    Reiner Schöne

    Vorratsdatenspeicherung, also speichern von Daten auf Vorrat. Mna kann es nehmen wenn man es braucht. Leider werden in Deutschland immer wieder und immer mehr Gesetze verwässert aus unterschiedlichen Gründen. Postgeheimnis, auch das gab es einmal, oder das Bankgeheimnis, jetzt die Vorratsdatenspeicherung. Es ist richtig diese Gesetze müssen wieder in den Ursprung, zurück zu den Anfängen zurückgefahren werden. Autobahnmaut auch eine Art der Überwachung. Hier regen sich viele und zurecht auf, nur wie sieht es mit der Einführung der Checkkarte aus, waren die Datenschützer nicht auch dagegen? Jetzt soll das Geld also das Bargeld abgeschafft werden und nur noch mit Karte bezahlt werden dürfen. Das ist nicht nur eine Datenüberwachung, da man verfolgen kann wer, wann, was gekauft hat, sondern es können alle Lebensbereiche kontrolliert werden und das intensiv und bis ins Detail. Der Aufschrei hält sich sehr in Grenzen.

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