HSV

Der HSV am Abgrund

Nun ist der Hamburger SV also am Abgrund angekommen. Nachdem der VfB Stuttgart am vergangenen Sonntag sein Heimspiel gegen Werder Bremen kurz vor Schluss für sich entscheiden konnte, rutschte der HSV auf den letzten Tabellenplatz und ist somit nun der Träger der berühmten roten Laterne. Schaut man sich die aktuellen Leistungen auf dem Platz und die Querelen neben dem Platz an, so besteht nur sehr wenig Hoffnung, dass man das Ruder noch mal herumreißen und sich retten kann. Alles läuft darauf hinaus, dass der HSV, das einzige der Gründungsmitglieder der Bundesliga, das noch nie abgestiegen ist, den Gang in die 2. Bundesliga antreten muss.

Viel wird über die Gründe spekuliert. Sicherlich gibt es auch keinen isolierten Hauptgrund, sondern es wurden im Verlauf der vergangenen Jahre einfach zu viele massive Fehlentscheidungen getroffen. Der größte Fehler, der allerdings im Nachhinein wenig beachtet wurde, war der Rauswurf von Trainer Mirko Slomka zu Saisonbeginn. Slomka hatte den Verein im Februar 2014 übernommen und im vergangenen Jahr noch die Relegation geschafft. Auf Schalke hatte er seinerzeit den besten Punkteschnitt aller Trainer in der Geschichte des Vereins und in Hannover hat er es geschafft, das Team nach dem tragischen Suizid von Robert Enke noch vor dem Abstieg zu bewahren und es anschließend in die Bundesligaspitze und die europäischen Wettbewerbe katapultiert. Wenn es jemand geschafft hätte, den HSV zu festigen und ihn in der Bundesliga zu etablieren, dann er.

Die Verantwortlichen beim HSV waren allerdings zu ungeduldig. Sie haben die schwache Vorsaison als Betriebsunfall abgetan und sahen sich wieder auf dem Weg in die Beletage der Bundesliga. Sie verkannten, dass die schlechte Leistung der vergangenen Saison kein Zufall war und dass die Probleme des HSV struktureller Natur waren. Aus dem Team war auch in dieser Saison einfach nicht viel mehr herauszuholen und das Ziel hätte auch in diesem Jahr maximal der Klassenerhalt sein dürften, doch man bekam den Hals nicht voll und feuerte Slomka – aus meiner Sicht ein fataler Fehler.

Der darauf folgende Schritt war nachvollziehbar und logisch. Da das Budget begrenzt war, beförderte man den erfolgreichen U23-Coach Joe Zinnbauer zum Cheftrainer. Dieser ist sicherlich ein begabter junger Trainer mit großen Ambitionen, allerdings dürfte den Verantwortlichen klar gewesen sein, dass es ein Himmelfahrtskommando war, einen Trainer ohne Bundesligaerfahrung in solch einer prekären Situation ins kalte Wasser zu werfen. Früher oder später musste man erkennen, dass dieses Projekt keine Aussichten auf Erfolg hatte, so dass man die Konsequenzen gezogen hat und Zinnbauer freistellte. Bereits der 18. verschlissene Trainer in 18 Jahren – eine gruselige Statistik. Was dann folgte, war eine große Farce, so unglaublich, dass man glaubt, es sei eine Persiflage aus der heute-Show: Der HSV hat entschieden, dass Sportvorstand Peter Knäbel den Trainerposten übernimmt, mit der Begründung, so Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer, er kenne die Mannschaft am besten und sei in der Lage, sofort zu handeln. Doch wer ist dieser Peter Knäbel eigentlich?

Der 48-Jährige absolvierte ein paar Bundesligaspiele für den FC St. Pauli und ließ seine Karriere beim schweizerischen Drittligisten FC Winterthur ausklingen. Als Spielertrainer gelang der Aufstieg in die zweite Liga. Es folgten Jobs beim FC Basel und der schweizerischen Nationalmannschaft, jedoch nicht als Trainer, sondern als Funktionär. Zum Oktober 2014 wurde er dann „Direktor Profifußball“ beim HSV. Aufgrund der Vita durfte man durchaus kritisch hinterfragen, ob er für diesen Posten geeignet ist.

Dass er aber nun Trainer des HSV ist, grenzt an sportlichen Selbstmord. Die Verantwortlichen des HSV müssen sich die Frage gefallen lassen, ob ein Funktionär, der Erfahrungen als Trainer lediglich in unterklassigen schweizerischen Ligen gesammelt hat, der richtige Mann für den Trainerjob in einer solchen existenzbedrohenden Lage ist. Die klare Antwort lautet: Nein! Ich selber habe mich gefragt, ob ich, wenn das wirklich die Messlatte sein sollte, als ehemaliger Trainer der E-Jugend des BV Wevelinghoven dann nicht ebenfalls ausreichende Qualifikationen für den Trainerposten beim HSV mitbringe. Das blöde ist nur: Selbst wenn Dietmar Beiersdorfer mich darum anflehen würde – den Job würde ich mir niemals antun. Aber Spaß beiseite: Vermutlich denkt jeder halbwegs qualifizierte Trainer in Deutschland so, was zeigt, wie aussichtslos die Lage des HSV ist.

Die Quittung folgte natürlich auf dem Fuß. Peter Knäbel verlor sein Auftaktspiel gegen Bayer Leverkusen mit 0:4 und die Mannschaft zeigte eine desolate Leistung. Das Interview mit Knäbel nach dem Spiel wird wohl in die Geschichte eingehen. Zu sehen war dort der wohl uncharismatischste Bundesliga-Trainer aller Zeiten, der ideen- und konzeptlos herumknatscht und sich darüber beschwert, dass niemand außer ihm bereit sei, diesen Job zu machen. Im Ergebnis eine klare Bankrotterklärung. Es folgte an diesem Wochenende ein 0:2 gegen den VfL Wolfsburg, wobei es der mangelnden Konsequenz der Wolfsburger vor dem Tor zu verdanken ist, dass die Niederlage nicht noch deutlich höher ausfiel. Hinzu kam eine teaminterne Schlägerei in der Kabine und das Band zwischen Mannschaft und Fans ist nun wohl auch endgültig gerissen. Und der Dilettantismus rund um den Trainerposten ist nur eine Facette der viele Fehltritte des HSV. Alle anderen zu benennen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen und bietet wohl den Stoff für ein Bestseller-Buch.

Der HSV ist ein Fußballverein mit einer großen Tradition und einer noch viel größeren Anhängerschaft. Selbst Fußballfans, die dem Verein nicht sonderlich gewogen sind hegen gewisse Sympathien für den HSV. Als neutraler Beobachter der Lage weiß man allerdings nicht, was man dem Verein wünschen soll. Hoffen, dass man den Umschwung auf wundersame Art und Weise doch noch schafft, damit ein Traditionsverein erhalten bleibt? Oder darauf hoffen, dass der HSV absteigt, um in der zweiten Liga einen Neuanfang mit neuen Personen und neuem Konzept zu starten? Gibt es überhaupt eine Lösung? Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht.


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2 Antworten zu „Der HSV am Abgrund“

  1. […] ansprechenden Leistungen Boden gut machen konnte. In der direkten Abstiegszone liegen derzeit der Hamburger SV (Platz 17, 32 Punkte), dessen Formkurve unter dem neuen Trainer Bruno Labbadia leicht nach oben […]

  2. […] hat aber schon eine Hand am Beckenrand. Obwohl die Lage zwischenzeitlich aussichtslos war und der HSV zeitweise die Lachnummer der Liga war, gelang es, die Leistungen unter dem neuen Trainer Bruno Labbadia zu stabilisieren. In der […]

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