Moralokratie
Die Geißel des unbarmherzigen Kapitalismus, Margot Käßmann, die allein durch den Umsatz ihrer moralinsauren Büchner ein kleines Vermögen verdient, hat sich mal wieder zu Wort gemeldet. Es war nur die Frage, ob das nächste Buch von Atomkraft-nein-danke, weniger Wachstum, höhere Steuern oder mehr Umverteilung handeln würde – und welcher geläuterte Promi dieses Mal das Vorwort schreibt. Seit einer Woche wissen wir mehr … dieses Mal ist es der aus der Kirche ausgetretene und selbstbezeichnete Anarchist Konstantin Wecker.
Nachdem 2011 Margot Käßmann mit dem Satz „besser mit den Taliban zu beten, als sie zu bombardieren“ und der weitergehenden Erläuterung, dass ein „gerechter Krieg unmöglich“ sei einen wahren Candystorm bei den korksandalentragenden Atomkraftgegnern mit lockerem Geldbeutel ausgelöst hat, musste das Thema doch noch einmal ausgereizt werden. Mit dem Titel „Entrüstet euch!: Warum Pazifismus für uns das Gebot der Stunde bleibt. Texte zum Frieden“ sollen wir weiter auf das Finale der Luther-Dekade bis 2017 eingestimmt werden. Wer aber tatsächlich einmal ein wenig über die Person Martin Luther recherchiert, wird den Eindruck bekommen, dass der Versuch, Luther für sich zu vereinnahmen, in etwa so ist, als würde Justin Bieber ein Lied von Metallica covern … So werden wir schon vor der offiziellen Buchveröffentlichung darauf hingewiesen, dass die DDR-Friedensbewegungen mal wiederaufgelebt werden sollten: „Eine spirituelle Haltung ist wichtig, um die Kraft des Pazifismus wirksam werden und Schwerter zu Pflugscharen schmieden zu lassen.“
Wie dem auch sei, könnte das Buch zu keinem passenderen Zeitpunkt erscheinen. Im Interview mit BR Bayern 2 erklären sich Käßmann und Wecker zum Thema Hilfeleistung in Notsituationen, insbesondere vor dem Hintergrund der IS-Massaker. WECKER: „Ich bin gerne bereit Hilfe zu leisten, aber ich bin bereit Hilfe ohne Waffen zu leisten“ (Min 17:28). KÄßMANN: „Was ist das Ziel? Wenn wir 50.000 IS-Kämpfer abknallen, dann ist Frieden?“ (Min 19:39). Immerhin gesteht Käßmann nachfolgend ein, dass die evangelische Kirche die Polizei ja nicht „gänzlich“ ablehne und man bei Polizeieinsätzen vielleicht doch überlegen sollte, ob … Häh?! Moment mal. Ein pazifistischer Polizeieinsatz gegen den IS ist so produktiv wie die Volksfront von Judäa, Verzeihung, die judääische Volksfront, bei dem Film „Das Leben des Brian“. Klar, eine mordende, plündernde und vergewaltigende Gruppe von IS-Fanatikern, die weltweit um Nachwuchs werben, ist nicht schön, aber in der Theorie kann man durch Beten und Gutzureden alles lösen. Die Schuld dafür sucht man aber natürlich bei anderen: immer diese Amerikaner und die hinterlistigen Deutschen mit ihren Waffenlieferungen. Selbstverständlich hat der Westen auch zu verschulden, dass IS-Kämpfer ihre eigenen Landsleute massakrieren?
Die Antwort auf die drängende Frage, wie wir den bedrohten Menschen in den IS-Gebieten ihr Menschenrecht auf leibliche und seelische Unversehrtheit bewahren können, darf keine theoretische Abhandlungen über Gut und Böse oder Schuld und Unschuld sein. Papst Franziskus hat dies deutlich zum Ausdruck gebracht: „Wenn es eine ungerechte Aggression gibt, kann ich nur sagen, dass es gerechtfertigt ist, den ungerechten Aggressor zu stoppen“. Diametraler könnten die Positionen nicht sein.
Vielleicht sollte sich Frau Käßmann ihren eigenen Ausspruch nach dem Rücktritt 2010 noch einmal verinnerlichen: „Christentum ist nicht zuallererst eine Frage von Moral, sondern von Verantwortung“. Verantwortung heißt nicht faseln und Bücher verkaufen, sondern handeln.
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