Als ich von den Vorkommnissen zwischen Kölner Fans und Bernd Lucke in einem ICE gehört habe, war die Schadenfreude bei mir zunächst groß.
Es gibt fast niemanden in der deutschen Politik, der mich mehr aufregt als Bernd Lucke:
Sein ständiges professorales Geschwafele hinter dem sich nicht selten krasse Ressentiments verstecken, mit denen er ganz bewusst spielt.
Seine Eigenart in Talkshows jedem anderen ins Wort zu fallen und anschließend die beleidigte Leberwurst zu spielen, wenn es nur die kleinste Äußerung der anderen Diskussionsteilnehmer während seines Wortbeitrages gibt.
Diese Aura eines unfassbaren Strebers und Besserwissers.
Trotzdem wurde ich nachdenklich, nachdem ich gelesen hatte, was in diesem ICE passiert sein soll. Kann es eigentlich sein, dass in einem demokratischen Rechtsstaat randalierende Banden – in diesem Fall zwar nur Fußballfans – bestimmen, welche politische Meinung in Ordnung ist und welche nicht? Dürfen eigentlich irgendwelche Fußballfans entscheiden, wer in einem Zug mitfahren darf? Entscheidet da nicht die erworbene Fahrkarte?
Darf man bald aus einer Straßenbahn geworfen werden, weil man für das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP ist? Dürfen sich demnächst Umweltfreunde auf den Radweg stellen und Gegnern des EEG die Weiterfahrt verbieten?
Nein – In einem demokratischen Rechtsstaat muss auch die Meinung von Herrn Lucke geschützt werden, so lange seine Partei nicht verboten ist! Das muss eine Demokratie aushalten.
Genau dies ist bekanntlich auch ein Argument, welches die AfD, die damit verbundenen PEGIDA-Demonstranten und sonstige Verschwörungstheoretiker nicht müde werden zu betonen: „Man dürfe gewisse Dinge in Deutschland gar nicht mehr sagen. Wir hätten gar keine richtige Demokratie!“
DOCH – der demokratische Rechtsstaat muss dafür sorgen, dass alle nicht verfassungsfeindlichen Äußerungen in Deutschland möglich sind. Auf jeden Fall muss er auch jede Person vor Übergriffen anderer schützen, auch wenn der Mehrheit die Meinung dieser Person eventuell nicht passt. Die Polizei hätte die Fußballfans, die einem Fahrgast aus der Bahn werfen wollten umgehend aus dem Zug entfernen müssen.
Dass Herr Lucke den Fußballfans entgegnet: „Er sei privat hier.“ Ist absolut lächerlich. Genau das Gegenteil wäre richtig gewesen. Herr Lucke hätte antworten müssen: „Ich vertrete eine politische Meinung. Das ist in einer Demokratie legitim. Was Sie hier tun, nämlich jemandem aufgrund seiner politischen Meinung zu drohen oder ihn aus einem Zug werfen zu wollen ist undemokratisch!“
Wer wird sich in Zukunft in diesem Land eigentlich politisch engagieren, wenn er mit Übergriffen auf seine Person zu rechnen hat? Wenn Bürgermeister, die Flüchtlinge aufnehmen, Drohungen erfahren und Gewalt fürchten müssen, verschiebt sich unsere politische Kultur. Auch Herr Lucke muss sicher vor Übergriffen sein. Jeder der in Deutschland seine Meinung äußert – so lange sie nicht verfassungsfeindlich ist – muss eventuell mit heftigem verbalen Gegenwind rechnen, Gewalt darf er nicht fürchten müssen.
Ich will Herrn Lucke mit diesem Beitrag nicht in Schutz nehmen.
Die falschen Argumente der AfD müssen als solche entlarvt und widerlegt werden. Den Argumenten der Rechten muss widersprochen werden, aber bitte mit Argumenten!
Wenn die AfD mit Ressentiments gegenüber Flüchtlingen arbeitet, müssen Liberale die Notwendigkeit und Menschlichkeit des Asylrechts betonen und klare Lösungen für Probleme der Kommunen mit den Flüchtlingsströmen anbieten.
Wenn die AfD die Offenheit unserer Gesellschaft in Frage stellt, müssen junge Menschen für Zuwanderung nicht nur als Mittel gegen den demographischen Wandel werben, sondern auch die Bereicherung einer offenen und bunten Gesellschaft betonen. Nur eine solche Gesellschaft ist schließlich innovativ und zukunftsfähig.
Wenn die AfD gegen die Aufklärung über Homosexualität in der Schule wettert und die Wichtigkeit der heterosexuellen Ehe betont, müssen aufgeklärte Bürger mit Toleranz gegenüber jedem Lebenswandel antworten und homophoben Ansichten widersprechen.
Unsere Argumente sind besser – vertrauen wir darauf.
Der Autor Moritz Körner ist Landesvorsitzender der Jungen Liberalen in NRW
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