Das Ergebnis der Wahl in Griechenland löste ein buntes Farbenspiel in den Gesichtern unserer Politiker aus. Einigen trieb es die Zornesröte ins Gesicht, während andere ganz blass vor lauter Befürchtungen in Bezug auf die Eurozone wurden. Die Konsequenz, der Wahlsieg der Syriza rund um Tsipras und die daraus entstandene Links-Rechts-Koalition, beschäftigt die Nachrichten bis heute.
Doch neben Griechenland hat die EU weitere Sorgenkinder, obgleich die Lage dort längst nicht so prekär ist. Hierunter ist auch Spanien zu zählen, da es Hilfen der EU in Anspruch genommen hat und die Wirtschaft nach wie vor schwächelt, insbesondere die hohe Jugendarbeitslosigkeit macht dem Land schwer zu schaffen. In diesem Jahr stehen erneut nationale Parlamentswahlen in Spanien an, spätestens bis zum 20. Dezember sollen die Spanier an die Wahlurne treten. Mit Blick auf die aktuelle politische Lage in Spanien könnte sich das Ergebnis als ein ungeliebtes vorweihnachtliches Geschenk für die EU erweisen – genauer gesagt besteht die Gefahr, dass Spanien eine Regierung im Stile der Tsipras-Regierung in Griechenland bekommt. Werfen wir einen Blick auf die aktuelle Konstellation.
Die regierende Partido Popular (PP)
Derzeit stellt die Partido Popular (zu Deutsch: Volkspartei) die absolute Mehrheit im Parlament und somit auch den Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Inhaltlich ist die Partei im christlich-konservativen Lager anzusiedeln und steht der CDU sehr nahe. Während bei den letzten Wahlen im Jahr 2011 das Ergebnis von knapp 45% ausreichte, liegt die PP in aktuellen Umfragen bei rund 24% – Tendenz weiter sinkend – und würde ihr Ergebnis damit fast halbieren. Es dürfte also schon jetzt feststehen, dass die PP ihre absolute Mehrheit verlieren wird. Grund für die Unzufriedenheit mit der Rajoy-Regierung ist vor allem ihre rigide Sparpolitik, die sich leider sehr stark auf das Bildungs- und Gesundheitssystem fokussierte, statt die Probleme des Landes bei der Wurzel zu packen.
Die Oppositionsführer der Partido Socialista Obrero Español (PSOE)
Die PSOE (deutsche Übersetzung: Sozialistische Partei des spanischen Arbeiters) ist, anders als der Name vermuten lässt, keine sozialistische Kampfbewegung, sondern eine moderne sozialdemokratische Partei und Schwesterpartei der deutschen SPD. Sie regierte das Land von 2004 bis 2011 unter dem damaligen Ministerpräsidenten José Luis Zapatero. Während die erste Legislaturperiode (2004-2008) innenpolitisch von Erfolgen wie der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe und einer stärkeren Dezentralisierung zu Gunsten der autonomen Regionen geprägt war und in noch stärkeren Wahlergebnissen mündete, war die zweite Legislaturperiode (2008-2011) ein Desaster für die PSOE. Die Gründe hierfür sind naheliegend: Die Finanzkrise hat die spanische Wirtschaft, insbesondere die Immobilienwirtschaft stark getroffen und die Jugendarbeitslosigkeit stieg enorm. Die Quittung erhielt man bei den Parlamentswahlen 2011 mit einem schwachen Ergebnis von nur knapp 29%. Aktuelle Umfragen sehen sie PSOE sogar bei nur noch 20%, was zeigt, dass sie das verlorene Vertrauen bisher nicht wiedererlangen konnten. Am vergangenen Wochenende konnte die PSOE allerdings die wichtigen Regionalwahlen in Andalusien gewinnen. Es bleibt also abzuwarten, ob man diesen Rückenwind nun auch auf nationaler Ebene nutzen kann.
Der ungeliebte Neuling – Podemos
Die gravierenden wirtschaftlichen Probleme haben im Januar 2014 zur Gründung der neuen Partei Podemos (deutsch: „wir können“) geführt. Inhaltlich ist die Partei wie die deutsche Die Linke und die griechische Syriza dem Lager des Sozialismus zuzuordnen. Geführt wird sie von Pablo Iglesias Turrión, einem Politikwissenschaftler und Fernsehmoderator. Bei ihren ersten Wahlen zum Europaparlament 2014 holte die Bewegung auf Anhieb 8% der Stimmen und schloss sich dem Bündnis europäischer Sozialisten und Kommunisten an. Demoskopischen Untersuchungen zu Folge handelt es sich bei den Wählern von Podemos jedoch nicht um altkommunistische Kader, sondern um junge und gut ausgebildete Menschen, die stark unter der Jugendarbeitslosigkeit leiden und einen Systemwechsel fordern. Zwischenzeitlich weilte Podemos in Umfragen bei 27% und aktuell sind es noch immer rund 24%. Damit liegt man noch immer gleichauf mit der PP an der Spitze der Umfragen. Sollte Podemos die Wahlen gewinnen, dann würde Spanien drohen, zu einem zweiten Griechenland zu werden.
Die alte Linke Izquierda Unida (IU)
Es ist aber ja nicht so, dass Spanien nicht auch schon vorher eine linke Partei gehabt hätte. Die Izquierda Unida („Vereinte Linke“) ist schon seit geraumer Zeit drittstärkste politische Kraft in Spanien und wie Podemos Mitglied der Europäischen Sozialisten und Kommunisten. Der Erfolg von Podemos hat aber zu Erosionen bei den Umfrageergebnissen der IU geführt.Während man bei den Parlamentswahlen 2011 noch 7% holte und in Umfragen zeitweise bei 10% lag, führte der Aufstieg von Podemos dazu, dass man aktuell, aufgrund der 3%-Hürde auf Ebene der 52 Wahlkreise, in vielen Regionen um den Einzug ins Parlament bangen muss. Normalerweise müsste man sich darüber freuen, wenn eine sozialistische Partei in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, allerdings besteht hier die Gefahr, dass IU und Podemos ihre Kräfte bündeln und damit noch mehr Durchschlagskraft entfalten.
Der Liberalen Hoffnungsträger der politischen Mitte – Ciudadanos und UPyD
Nicht zu vernachlässigen ist die Partei „Ciudadanos – Partido de la Ciudadanía“ (Übersetzung: „Bürger – Partei der Bürgerschaft“). Sie wurde 2006 als regionale katalanische Partei als Gegenbewegung zum katalanischen Nationalismus gegründet, weitet ihre politischen Aktivitäten aber nun auf die gesamte Nation aus. Seit Juni 2014 gehört man der Familie der europäischen liberalen Parteien an. Zu den Kernpunkten des Programms gehören die Grund- und Bürgerrechte sowie eine Stärkung des Zusammenhalts der Regionen in Spanien, jedoch nicht im Sinne eines regionalen Nationalismus, sondern in Form einer Neuordnung des Föderalismus. Ciudadanos ist der Hoffnungsträger der Mitte, da man die Umfragewerte im Bereich von 3% im Herbst 2014 auf zuletzt rund 13% steigern konnte. Offenbar führt die Unzufriedenheit mit den beiden großen etablierten Parteien PP und PSOE nicht vollständig zu einem Linksruck, sondern auch zu einem Erstarken der politischen Mitte. Ein Signal, das Hoffnung macht!
Eine weitere liberale Partei ist die Unión Progreso y Democracia (UPyD – zu Deutsch: „Union Fortschritt und Demokratie“), die derzeit Beobachterstatus in der europäischen Liberalen Partei ALDE genießt. Die programmatische Ausrichtung ist ähnlich wie bei den Ciudadanos, mit dem historischen Unterschied, dass die UPyD im Jahr 2007 in Madrid von Beginn an schon als nationale Partei gegründet wurde und bei der ersten Wahl im Jahr 2008 überraschend ein Mandat gewinnen konnte. Das damalige Ergebnis von 1,2% konnte 2011 noch auf 4,7% und bei der Europawahl 2014 sogar auf 6,5% gesteigert werden. In Umfragen lag man Mitte 2013 zwischenzeitlich sogar bei über 10%, aktuell jedoch nur bei 4%. Der Grund hierfür ist primär, dass es interne Querelen über den Führungsstil der Parteivorsitzenden Rosa Díez gab und einige führende Köpfe daraufhin ihren Austritt erklärt haben. Langfristig gesehen wäre es natürlich wünschenswert, wenn man die beiden liberalen Kräfte Ciudadanos und UPyD bündeln könnte, um den Linkspopulisten bei den Wahlen als geschlossene liberale Allianz entgegenzutreten. Seitens der Ciudadanos gab es positive Signale, die allerdings von Rosa Díez nicht erwidert wurden. Dies stellt die UPyD aktuell vor eine Zerreißprobe.
Die Regionalparteien
Neben den bereits genannten etablierten Nationalparteien gibt es noch eine ganze Menge an Regionalparteien, die durch zwei Faktoren begünstigt werden: Erstens gilt die 3%-Hürde nur auf der Ebene der 52 Wahlkreise, das heißt wenn man es schafft, in einem Wahlkreis so viele Stimmen zu erreichen, dass es dort für ein Abgeordnetenmandat reicht, dann darf man einen Abgeordneten in den Kongress entsenden, und zwar auch dann, wenn man auf nationaler Ebene insgesamt deutlich unter 3% liegt. Zweitens ist Spanien ein Land mit vielen verschiedenen Nationalitäten: Kastilianer, Katalanen, Basken, Galicier und viele mehr. Der spanische Staat selbst ist allerdings, auch aufgrund des Franco-Erbes, sehr zentralistisch aufgebaut und die Machtfülle liegt in der kastilianisch geprägten Hauptstadt Madrid. Zeitweise waren lokale Identitäten und Sprachen sogar verboten, was natürlich das Aufkommen eines regionalen Nationalismus begünstigte. Auf Bundesebene ist der Einfluss der regionalen Parteien jedoch überschaubar. Die liberal-christliche katalanische Regionalpartei Convergència i Unió, aktuell Regierungspartei in Katalonien und Initiatorin des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums, war bei der Wahl 2011 mit 4,6% der Stimmen und 16 von 350 Mandaten noch die einflussreichste. Die anderen Regionalparteien aus dem Baskenland, Katalonien, Galicien, den Kanaren und Asturien, deren politische Ausrichtung sehr unterschiedlich ist, kamen gemeinsam auf nur 21 Mandate.
Man darf also gespannt sein, auf den Wahlausgang. Noch viel spannender dürften allerdings die anschließenden Koalitionsverhandlungen werden, da eine absolute Mehrheit derzeit ausgeschlossen sein dürfte. Wäre Podemos bereit, mit einer der etablierten Parteien zu koalieren? Oder erwartet uns auch in Spanien eine große Koalition? Wir werden weiterhin auf Guns ans Burgers berichten.
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