Nozick

Robert Nozick – The Libertarian Way of Life

Verzeihen Sie bitte, vielleicht sind Sie hier falsch. Sie beginnen gerade damit, den ersten Text einer ganzen Reihe über liberale Philosophie zu lesen. Nun gut, Philosophie ist Quatsch, das wissen wir alle. Aber trotzdem beginnt jede Partygesellschaft nach dem ein oder anderen alkoholischen Getränk über den Sinn des Lebens zu sinnieren und es soll sogar Menschen geben, die sich hauptberuflich – auch im nüchternen Zustand – mit ähnlich fundamentalen Fragen auseinandersetzen. Und um solche Menschen soll es in dieser Serie gehen, um liberale Denker. Eines steht fest, wer auf der Suche nach einfachen Problemen und noch einfacheren Antworten ist, der sollte lieber etwas anderes lesen. Doch wer Spaß an kniffligen Fragen und am Nachdenken hat, der ist hier gut aufgehoben, schließlich schlummert in jedem von uns ein kleiner Philosoph.

Die liberale Philosophie ist ein umfangreiches Gebiet. Insbesondere Vertreter des linken Spektrums charakterisieren das liberale Denken gerne mit dem inflationären Schlagwort „Neoliberalismus“ und verkennen damit sowohl die Vielfalt des Liberalismus als auch die wahre Bedeutung dieses Begriffes. Die liberale Philosophie beheimatet viele Strömungen, die sich nicht selten erbitterte Kämpfe liefern. Eine solche Auseinandersetzung soll auch am Beginn dieser Serie stehen – die Kontroverse zwischen dem libertären Robert Nozick und dem sozialliberalen John Rawls. Heute möchte ich Ihnen zunächst den in Deutschland eher unbekannten Robert Nozick vorstellen und die wesentlichen Züge seiner Philosophie skizzieren.

Robert Nozick – bitte wer?

Nein, es ist keine Schande, wenn Ihnen dieser Name unbekannt ist, eine Bildungslücke ist es aber doch, denn sein Werk gehört zu den bedeutendsten Beiträgen zur politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts. Robert Nozick hat am 16. November 1938 in New York als Sohn eines russisch-jüdischen Unternehmers das Licht der Welt erblickt. Nach seinem Studium an der Columbia, in Princeton und in Oxford war er Inhaber der Joseph-Pellegrino-Professur an der Harvard University und veröffentlichte 1974 sein berühmtestes Werk „Anarchy, State and Utopia“, für das er mehrfach ausgezeichnet wurde und das auch heute noch zur Standardlektüre an amerikanischen Universitäten gehört. Dieses Buch ist eine libertäre Reaktion auf John Rawls‘ Jahrhundertwerk „A Theory of Justice“, welches ich im kommenden Beitrag vorstellen werde.

Worum geht es?

Robert Nozick und John Rawls machen sich – vereinfacht gesagt – Gedanken über distributive Gerechtigkeit. Damit gehen sie einer Frage nach, die in jeder sozialpolitischen Diskussion die Hauptrolle spielt: Wer soll wie viel vom Staat erhalten? Dabei befinden sich die Ausführungen der beiden Philosophen nicht auf dem üblichen Stammtischniveau, sondern auf einer viel grundlegenderen Ebene. Wie entsteht ein Staat eigentlich und welche Aufgaben hat er generell wahrzunehmen? Ist die Umverteilung überhaupt zu begründen? Und wenn ja, wie sieht eine gerechte Umverteilung aus?

Während John Rawls Befürworter eines egalitären Liberalismus ist, vertritt Robert Nozick   die Ansicht, dass sich eine redistributive Tätigkeit im sozialstaatlichen Sinne nicht rechtfertigen lässt. Kurz gesagt, Nozick würde den Sozialstaat mit all seinen Transferleistungen restlos abschaffen. Spätestens jetzt sollte Ihnen klar sein, wieso dieser Philosoph in Deutschland so unbekannt ist, ein solches Denken ist uns Kontinentaleuropäern eben völlig fremd. Trotzdem ist es lohnenswert, sich mit Nozicks Gedanken auseinanderzusetzen und sei es nur, um die Geisteshaltung vieler Amerikaner – insbesondere der Tea-Party-Bewegung – besser zu verstehen, denn in den USA spielen Nozick und der Libertarianismus eine wichtige Rolle.

John Locke und der Naturzustand

Fast jeder Philosoph baut seine Theorie auf den Theorien vorheriger Philosophen auf. Robert Nozick bedient sich als Grundlage seiner Konzeption des Naturzustandes von John Locke, dem großartigen Begründer des klassischen Liberalismus. Locke nimmt an, dass der Mensch im Naturzustand grundsätzlich frei ist – wie sollte das auch anders sein? Stellen Sie sich mal vor, Sie gehen heute Abend zu Bett und wachen am nächsten Morgen umringt von singenden Möwen auf einer verlassenen Insel wieder auf, ganz ähnlich wie Robinson Crusoe. Hier gibt es niemanden, der über Sie herrscht oder dem Sie gar gehören – willkommen im Naturzustand, willkommen in der Freiheit.

Doch wenn Sie nach der anfänglichen Freude über Ihre Freiheit im Naturzustand wieder zu sich gekommen sind, dann werden Sie ganz schnell ein Problem erkennen, dass Thomas Hobbes mit dem schönen Satz „Der Mensch ist des Menschen Wolf“ umschrieben hat (Vorsicht, er hat dieses Zitat vom römischen Komödiendichter Plautus stibitzt). Kurz gesagt, im Naturzustand sind Sie zwar frei, aber sobald Sie auf unserer verlassenen Insel auf einen alten Stamm eingeborener Kannibalen treffen, sind Sie diesen schutzlos ausgeliefert. Das Problem ist also, dass Sie im Naturzustand keinen Schutz vor den üblen Umtrieben Ihrer Artgenossen haben – und genau an dieser Stelle kommt der Staat ins Spiel.

Zur Lösung dieses Problems können wir uns beispielsweise auf einen Gesellschaftsvertrag einigen, in dem wir vereinbaren, dass es Unrecht ist sich gegenseitig umzubringen oder zu bestehlen und dass diejenigen, die gegen diese Vereinbarung verstoßen, bestraft werden müssen. Dieser stark vereinfacht dargestellte Lösungsweg wird von Vertretern des Kontraktualismus gewählt, zu denen insbesondere Hobbes, Locke und Rousseau gehören.

Robert Nozick geht jedoch einen anderen Weg. Er ist der Ansicht, dass die Menschen im Naturzustand Schutzvereinigungen gründen würden, die für den Schutz ihrer Mitglieder bezahlt werden. Mit der Zeit würde sich dann aus den zahlreichen Schutzvereinigungen die stärkste Schutzvereinigung als Monopol etablieren und die anderen Vereinigungen verdrängen. So entsteht schließlich der Minimalstaat, der das Gewaltmonopol besitzt und allgemeine Schutzleistungen zur Verfügung stellt. So weit so gut. Doch lässt sich darüber hinaus auch ein Sozialstaat rechtfertigen, der auch redistributive Aufgaben wahrnimmt?

Das Wilt-Chamberlain-Argument

Wenn Sie sich mit Basketball auskennen, dann wird Ihnen Wilt Chamberlain als einer der bedeutendsten Spieler in der Geschichte der NBA bekannt sein. Als wäre das nicht schon genug, wurde sein Name gleichzeitig auch Bestandteil eines der wichtigsten philosophischen Argumente überhaupt – des Wilt-Chamberlain-Arguments von Robert Nozick.

Das Argument geht wie folgt: Chamberlain ist ein guter Basketballspieler, den viele Menschen bewundern und gerne spielen sehen. Also kaufen sie sich eine Eintrittskarte und besuchen seine Spiele, wofür er selbstredend entlohnt wird. Umso mehr Menschen seine Spiele auf freiwilliger Basis besuchen, umso mehr Geld bekommt Chamberlain. Für Nozick ist es nun entscheidend, dass es sich hier um eine gerechte Umverteilung handelt, die auf freiwilliger Basis geschieht; die Besucher der Basketballspiele verteilen ihr Geld an Chamberlain, weil sie ihn gerne spielen sehen. Mit welchem Recht darf der Staat ihm das Geld nun wieder wegnehmen um es erneut umzuverteilen?

Laut Nozick gibt es genau zwei Möglichkeiten um Besitz zu erwerben: 1) Die Inbesitznahme von Gegenständen, die sich in keinem Besitz befinden (z.B. verlassenes Land) und 2) Durch den gerechten Transfer eines Besitzes von X an Y (z.B. durch den freiwilligen Kauf einer Eintrittskarte). Schließlich gelangt Nozick aufgrund dieser beiden Möglichkeiten zu der entscheidenden Konklusion: 3) Niemand kann einen Besitz erwerben außer durch die genannten Alternativen 1 und 2.

Würde der Staat nun Steuern oder Abgaben zur Finanzierung von Sozialleistungen erheben, so würde er eindeutig gegen die Konklusion verstoßen, denn er erlangt diesen Besitz nicht durch eine der beiden Alternativen, sondern durch staatlichen Zwang. Im Falle von Wilt Chamberlain haben die Menschen ihr Vermögen allerdings freiwillig auf diesen umverteilt, weswegen es für Nozick völlig gerechtfertigt ist, dass dieser ein weitaus größeres Vermögen besitzt als der Durchschnitt.

Schlusswort

Na, überlegen Sie schon welche Knüppel man dem guten alten Robert Nozick zwischen die Beine schmeißen könnte? Das ist gut so. In meinem nächsten Text werde ich Ihnen zeigen, wie der sozialliberale Gegenentwurf von John Rawls aussieht. Wenn Sie sich in der Zwischenzeit intensiver mit Robert Nozick beschäftigen möchten, dann lesen Sie auf jeden Fall „Anarchy, State and Utopia“, am besten im englischsprachigen Original, denn die deutsche Übersetzung ist nicht sehr gelungen.

 


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Kommentare

2 Antworten zu „Robert Nozick – The Libertarian Way of Life“

  1. […] Welcher der beiden Denker gefällt Ihnen besser – John Rawls oder Robert Nozick? Sind Sie eher sozialliberal oder libertär? In meinem nächsten Beitrag werde ich Ihnen mit John […]

  2. Avatar von Michael Schmidt
    Michael Schmidt

    Beziehungsunfähigkeit ist also Basis der Haifischmenge, deren Einzelfälle ohne Erziehung, Eltern und Geschlecht als Geschäftleute, also Engländer das Licht der Welt erblicken.
    Nozicks Ähnlichkeit mit Klugscheißern wie Bertrand Russel, Henry Ford, Thomas Alva Edison, Woodrow Wilson, Hyman Rickover, um nur wenige Büttel des internationalen Jürgentums zu nennen, von Jürgen Chigurh, Jürgen Gergiev, Jürgen Eschenbach, Jürgen Kaminer, Jürgen Maradonna, Jürgen von Papen, Jürgen Precht, Jürgen Kravitz, Jürgen Skywalker und weiteren Schreckengestalten zu schweigen , die ihren Haß auf Glühbirnen vor der Öffentlichkeit zu verbergen trachten, ist unverkennbar.

    Eisenhower spach zu Bradley:
    „Du Jürgen, ich darf doch Jürgen zu Dir Sagen?“ Eisenhower sprach nämlich fließend Deutsch!
    „Bring doch mal den Müll runter!“
    Bradley sprach zu Eisenhower: “ Brubbsnwluuuwräääps!“

    Eine Anekdote von biblischer Wucht, führwar!
    Auch Jürgen von Nazirett wird bis heute missvertanden!

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