Polizei

Polizei am Limit

„Rufst du an?“
-„Ja, es klingelt….“
„Und?“
-„Ne“
„Wie ne?“
-„Ja, keiner da… keine Ahnung…“
„Kann doch nicht sein!?“

Ungefähr so verlief der erfolglose Versuch an einem Freitagabend eine Polizeistreife zu einem gerade eskalierenden Streit zwischen zwei Partycliquen zu rufen. Zugegeben, dieses Ereignis ist schon einige Zeit her und die Situation verlief dann doch relativ glimpflich, allerdings sind diese oder ähnliche Erfahrungen, wie etwa stundenlange Wartezeiten nach Unfällen, laut Berichten aus dem Bekanntenkreis keine Seltenheit.

Der gewünschte Gesprächspartner ist zur Zeit leider nicht erreichbar
Chronische und umfassende Unterbesetzung ist in nahezu allen Ländern der Bundesrepublik längst zu einer Modeerscheinung auf vielen Polizeidienststellen geworden. Im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW sind laut Jörg Radek, dem Vorsitzenden des Bezirks Bundespolizei in der GdP, gerade einmal 60% der Dienststellen besetzt.
Verständlich, nachdem sich die Innenminister vieler Länder der sportlichen Herausforderung gestellt haben in diesem Bereich Stellen und somit auch Streifen auf ein Minimum zu reduzieren und das noch eine notwendige Sparpolitik zu nennen.
Die steigende Zahl der Einbrüche und die verschwindend geringe Aufklärungsquote, auch besonders in den Grenzregionen zu Polen veranlasste selbst unsere Bundeskanzlerin mehr Polizeikräfte zu fordern. Vermehrte Einbrüche sind ein Bundesweiter Trend. In Thürigen stieg die Anzahl von 2009 bis 2013 um 90% an und in  Deutschland fehlen Bundesweit mindestens 2900 Polizeibeamten.
Nur gut, dass Polizei Ländersache ist. Und da es seit Jahren nicht aus der Mode gekommen ist zu jeder Gelegenheit mehr Polizeipräsenz zu fordern, ohne das jemals etwas passieren würde, schließe ich mich dem jetzt an :

“Wir brauchen mehr Polizisten auf den Straßen! Besonders im Bereich der Vollzugspolizei muss eine umfassende Aufstockung erfolgen!!”

Schutz, Selbstschutz und Vertrauen
Eine der Hauptaufgaben des Staates ist der Schutz der Bürger nach außen, aber auch innerhalb der Staatsgrenzen. Wie gut es in Deutschland um den etwaigen Schutz nach außen im Ernstfall bestellt wäre, kann man z.B. hier erfahren.
In Deutschland ist die Polizei u.a. für den Schutz des leiblichen Wohles und den der materiellen Güter der Bevölkerung zuständig. Ihr werden hierfür erweiterte Befugnisse, wie beispielsweise ‘unmittelbare Zwang’, also das Einwirken durch körperliche Gewalt, zugestanden. Dem Bürger hingegen werden Rechte zum Einsatz von Gewalt nur in sehr engen Grenzen, wie etwa bei Notwehr oder Nothilfe, eingeräumt. Daher ist es schon ein ernst zu nehmendes Alarmsignal, wenn Dörfer oder Stadtteile eigene Bürgerwehren gründen. Mehr noch ist es ein klares Indiz, dass sich viele Personen nicht mehr ausreichend durch die Polizei geschützt fühlen.

Denkt man an die erst kurz zurückliegenden gewalttätigen Ausschreitungen, während der Blockupy Demonstrationen in Frankfurt (Blockupy – Die Zivilgesellschaft kapituliert vor dem Linksextremismus), bei der Privateigentum, aber auch Polizeiwagen und sogar eine Dienststelle den Angriffen der radikalen Linken zum Opfer fielen, dann kann sich ein solcher Eindruck nur verstärken.
Die Polizei ist angehalten nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit zu handeln und daher zur Durchsetzung von Maßnahmen immer die geringstmöglichen Mittel anzuwenden. Jedoch kann es nicht sein, dass die Beamten nicht dem Schutz der Bevölkerung und deren Güter nachkommen, nur um eine gewaltsame Konfrontation zu vermeiden. Hier wäre meines Erachtens nach ein härteres und rigoroseres Vorgehen angebracht und auch gerechtfertigt.

Natürlich gleicht diese Forderung einem Tanz auf dem Vulkan, denn da die Polizei das Recht hat in gewissem Rahmen Zwang auszuüben und sich der Bürger bei Gegenwehr einer Anklage sicher sein kann, muss penibel darauf geachtet werden, dass der Einsatz von Gewalt seitens der Staatsdiener gerechtfertigt bleibt. Vor diesem Hintergrund war es beispielsweise auch richtig, dass der Kriminalhauptkommissar der beim Versuch ein Kind zu retten, dem Kindesentführer Folter angedroht hat, für dieses Verhalten verurteilt wurde.
Andererseits ist kaum zu übersehen, dass auch die Gewalttaten gegen Polizisten zunehmen. Schon 2009 wurden 80% der Streifenbeamten bedroht und fast die Hälfte wurde Opfer körperlicher Gewalt.
Vor Kurzem erst wusste sich ein Staatsdiener, im Rahmen des Bundesligaspiels VfB Stuttgart gegen Hertha BSC, nicht mehr anders zu helfen, als die Angriffe von gewaltbereiten Hooligans durch Warnschüsse aus seiner Dienstwaffe abzuwehren.
Was sollte aber ein Beamter machen, wenn auch diese Maßnahme einmal nicht mehr ausreicht?

Es wäre nun sehr viel leichter mehr Befugnisse für und ein strikteres Vorgehen dieser Vollzugsorgane zu fordern, käme es nicht auch immer wieder auch auf Seiten der Polizei zu ungerechtfertigter oder übertriebener Gewalt gegen Bürger.
Erschreckendes schildert beispielsweise ein Bericht von Amnesty-International zur Polizeigewalt in Deutschland. Hier werden 15 zum Teil sehr drastische Fälle von ungerechtfertigter Gewalt durch Polizeibeamten gelistet. Besonders auffällig sei dem Bericht zufolge, die scheinbar geringe Motivation diese Vorwürfe auch aufzuklären, so dass viele Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt würden.
Neben solchen Berichten kursieren im Netz viele Videos die angeblich ungerechtfertigte oder übertriebene Übergriffe von Polizisten auf unschuldige Zivilisten zeigen sollen. Hier ist es besonders bei kurzen oder geschnittenen Clips schwer einzuschätzen in wie weit sich das Vorgehen der Beamten tatsächlich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit bewegt. Andere Videos sind jedoch eindeutiger und zeigen meiner Meinung nach genuinen Amtsmissbrauch bzw. Straftaten.

Nun kann man zwar annehmen, dass es sich hierbei um Einzelfälle oder ‘schwarze Schafe’ gehandelt haben mag, doch ist diese Erklärung und vor allem der Umgang mit diesen Vorwürfen alles andere als befriedigend.
Um es einmal zuzuspitzen: Wenn das Volk, vertreten durch den Staat, einer bestimmten Berufsgruppe die Befugnisse und die Macht einräumen, die Freiheit Einzelner temporär einzuschränken, dann darf es in KEINEM Fall dazu kommen, dass diese Macht missbraucht wird. Sollte dennoch ein solcher Verdacht im Raum stehen, ist rückhaltlose Aufklärung und entsprechende Sanktionierung zwingend geboten.
Das gilt ebenso für die Kollegen beschuldigter Polizisten, die es momentan anscheinend eher so halten, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt, als dass ein Nestbeschmutzer die Ehre des Berufsstandes verletzt.

Persönlich gehe ich davon aus, dass die meisten Polizisten gut ausgebildet und sich ihrer Befugnisse und deren Grenzen bewusst sind und dementsprechend handeln. Fälle in denen ungerechtfertigte Polizeigewalt vorkommt und diese dann nicht entsprechen geahndet wird, sind jedoch hervorragend geeignet den gesamten Berufsstand in Verruf zu bringen und das Vertrauen der Bevölkerung zu zerstören,  so dass man auch der kleinste Anschuldigung mit größter Sorgfalt bis zur Aufklärung nachgehen sollte.
In diesem Zusammenhang finde ich die Diskussionen über umfassende Kennzeichnungspflicht (schon beschlossen) , Bodycams, Video- und Audioüberwachung von Gewahrsamsbereichen und Verbesserungen im Bereich der Aus- und Weiterbildung durchaus berechtigt.
Die erfassten Daten stellen zwar eine Form der Überwachung dar und sollten daher nur für sehr kurze Zeit erhalten bleiben, dennoch sind solche Aufzeichnungen geeigneter als fehleranfällige Zeugenaussagen, um im Zweifel ein Geschehen objektiv wiedergeben zu können. Diese Form der Beweisbarkeit schafft wiederum Vertrauen und erleichtert die Aufklärung.

Fazit
Momentan ist das Vertrauen der Deutschen in ihre Polizei noch verhältnismäßig gut. Durch die zunehmende Vernetzung und Digitalität unserer Gesellschaft reichen jedoch wenige Fälle von Fehlverhalten auf Seiten der Beamten aus, um dieses Vertrauen stark zu erschüttern. Hierfür muss man präventiv Maßnahmen ergreifen. Diese könnten zum einen in der ständigen und umfassenden Dokumentation von polizeilichen Einsätzen bestehen, zum anderen müssen aber schlicht mehr Polizisten auf die Straßen. Die Präsenz von Ordnungshütern und der Kontakt mit diesen ist es letztlich, was dem Bürger zeigt, dass Polizisten auch – mitunter sehr nette und vertrauenswürdige – Menschen sind, die im Ernstfall schnell Vorort sein können.
Daher ist mein Appell heute, dass sich die Regierungen bitte auf ihre grundlegendsten Aufgaben zurückbesinnen möchten und endlich eine den heutigen Umständen entsprechende Zahl gut geschulter Polizeibeamten einstellen sollen.
Noch ist die Welt kein so netter Ort, dass wir auf sie verzichten könnten.

 

P.S.
Um hier nicht den Eindruck zu erwecken, ich stände etwa auf der Seite von gewalttätigen oder radikalen Demonstranten, nur soviel: Ja Artikel 5 (GG) gewährt dir Meinungsfreiheit und Artikel 8 Versammlungsfreiheit. Dennoch habe ich kein Mitleid oder Verständnis für Leute, die sich in einem Demonstrationszug wissentlich in der Nähe gewalttätiger Personen aufhalten oder den Räumungsaufforderungen der Polizei nicht folgeleisten und dann weinen, weil sie einen Schlagstock in den Bauch oder Tränengas ins Gesicht bekommen.

 


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Kommentare

Eine Antwort zu „Polizei am Limit“

  1. Avatar von Reiner Schöne
    Reiner Schöne

    Die Polizei in Deutschland ist schlicht weg überlastet. Diesen Zustand verdanken wir der politischen Führung mit ihrem Sparvorhaben, was immer zuerst die Exekutive trifft. Wer sich ein wenig auskennt, was Polizisten sich strecken müssen um ihren Auftrag zu erfüllen, zeigen die Überstunden pro Polizist im Monat. Auch was sich die Beamten teilweise gefallen lassen müssen, das geht von bespucken über Beleidung bis zum tätlichen Angriff. Straftäter die endlich dingfest gemacht wurden, und dann mit einer, sagen wir mal, sinnlosen Strafe wenig später wieder das Gleiche tun. Kein Wunder das sich manchmal mehr als Frust breit macht. Was übertriebene Gewalt betrifft, sehe ich das anders. Jeder weiß, oder besser jeder sollte wissen, das man einen Polizisten folgeleisten muss. Wer sich einer Festnahme entzieht muss mit konsequenzen rechnen. Oder wie schon geschrieben sich nicht gerade menschlich gegenüber Polizisten verhält. Ich sehe das vielleicht aus zu sehr aus sich der Polizei, nur jeder der einen Polizisten den man übertriebene Gewalt vorwirft, einmal fragt „warum“ wird er eine gute Erklärung bekommen. Und die hier genannten Faktoren spielen eine große Rolle. Inzwischen glaube ich, das die Kürzungen, in Vorbereitung der heutigen Situation, beabsichtigt waren, denn die Polizeigewerkschaft warnt schon seit Jahren.

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