Schule

Naina! Wer twittern kann, kann auch googlen – Über den Praxisbezug in Schulen

„Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann eine Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“, twitterte Naina, eine 17-jährige Schülerin aus Köln vor einigen Wochen und trat damit eine große Debatte über den Praxisbezug an deutschen Schulen los.

„Naina hat recht, Gedichte machen nicht satt“, schrieb das Handelsblatt. Ich muss zugeben: Ähnliche Gedanken hatte auch ich als Schülerin. Bis ich irgendwann verstanden habe, dass die Schule nicht in erster Linie mein Dienstleister ist. Die Schule ist nicht dafür da, um mir das Wissen häppchenweise in den Mund zu schieben, sondern sie legt mir das Brot des Wissens auf den Teller, das ich selbst zuschneiden und verzehren muss. Wenn ich das nicht tue, liegt das in erster Linie an mir. Schulen vermitteln einen Grundstock an Bildung und sollen uns zu mündigen, selbstständigen Bürgern werden lassen. Im Falle von Naina hat dies scheinbar nicht funktioniert.

Dennoch ist es unmöglich abzustreiten, dass Naina einen Nerv getroffen hat. Unsere Schulen lehren nicht mehr zeitgemäß. Wichtige Themen, etwa die Digitalisierung, finden in deutschen Schulen teilweise gar nicht statt. „Auf den Schulhöfen ist Zukunft, dann gehen die Schüler in die Klassen zurück. Dort herrscht die Kreidezeit.“, analysierte Christian Lindner beim vergangenen Dreikönigstreffen der Freien Demokraten treffend. Das führt dazu, dass Schulen für Schüler realitätsfern erscheinen.
Durch Ausstattung der Schulen mit angemessenen, technischen Instrumenten allein wird sich dies nicht ändern. Es braucht viel langfristigere Ideen und Konzepte, um sicherzustellen, dass die Schulen Absolventen hervorbringen, die sich vorbereitet auf das fühlen, was sie draußen erwartet. Wenn es eine Journalistin gibt, die zwei Wochen lang im Deutsch-Leistungskurs über die richtigen Methoden zum Recherchieren oder ähnliches unterrichten kann, wieso sollte man diese Möglichkeit den Schülern verwehren und sie stattdessen die sechste und siebte Gedichtsanalyse schreiben lassen? Wenn eine Möglichkeit gefunden wird, Beispiele und Anregungen aus der Praxis in den Unterricht einzubinden, hätten die Schulen viel gewonnen. Entsprechend muss dringend darüber gesprochen werden, wie dies umzusetzen wäre. Wie Personen aus der Praxis dazu angehalten werden können, ihr Wissen mit Schülern zu teilen und ja, auch darüber, dass man diese dann entsprechend entlohnt. Bei dieser Debatte über Ideen, wie unsere Schulen praxisorientiert werden können, darf es keine Einschränkungen geben. Wir brauchen dringend Veränderung! Wer weiß, vielleicht hätte Naina nach einer kleinen Vortragsreihe einer Journalistin über Recherchemöglichkeiten darüber nachgedacht, die Themen Steuer, Miete und Versicherung mal zu googlen…


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Kommentare

2 Antworten zu „Naina! Wer twittern kann, kann auch googlen – Über den Praxisbezug in Schulen“

  1. […] daher kann man es Naina gar nicht mal so übel nehmen, dass sie in ihrem national bekannten Tweed: „Ich bin fast 18 und […]

  2. […] dem berühmt-berüchtigten Twitter-Post von Naina, den wir in einer vorherigen Ausgabe von „Die beste Bildung der Welt“ bereits adressiert haben („Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder […]

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