NAFTA

NAFTA – was wir Deutschen vom Freihandel lernen können

Während in Deutschland eine hitzige Debatte über das geplante Freihandelsabkommen TTIP läuft, ist den wenigsten Akteuren bekannt, welche herausragende Rolle der zollfreie Handel in der globalisierten Welt spielt. Es wird also Zeit, über den Tellerrand zu schauen und einen Blick auf Mexiko zu werfen, dem Land mit den meisten internationalen Verträgen für einen freien Handel. Welche Konsequenzen kann man aus dieser Öffnung des Landes ziehen und was können wir Deutschen daraus lernen?

Tampico, eine mexikanische Stadt an der Ostküste: Es ist Sommer 2010, Fußball-Weltmeisterschaft, die Mexikaner sitzen auf Partys und beim Public Viewing zusammen und feiern ausgelassen ihre Nationalmannschaft „el TRI“, als Armando und Travo bei Tacos und Quesadillas die Idee kommt, einen Lieferservice für Fußballpartys anzubieten. Die Idee für das Start-Up SeMeAntoja ward geboren. Heute heißt ihr Unternehmen HelloFood, ist ein Lieferservice für jede Art von Essen und Anlass, agiert in 40 Ländern und ist einer der großen Player dieser Branche. Ein Bilderbucherfolg. Doch das kommt nicht von ungefähr.

Mexiko, lange Zeit autoritär und sozialistisch geführt, hatte erst Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts eine wirtschaftsliberale Phase. Staatsunternehmen wurden privatisiert, die Landeswährung Peso geschwächt, die Wirtschaft damit angekurbelt und Anreize für ausländische Investoren gesetzt. Doch der größte Coup des damaligen Präsidenten Salinas de Gortari gelang mit der Aufnahme der Gespräche für ein trilaterales Handelsabkommen mit Kanada und der USA im Jahr 1990. NAFTA, das North American Free Trade Agreement wurde nur zwei Jahre später beschlossen und in definierten Schritten bis 2008 umgesetzt. Vor allem Mexiko durfte davon profitieren. Eine Öffnung der Grenzen und der Wegfall der Zölle machten aus dem Land die Werkbank der Industrie der USA und schufen Arbeitsplätze im hohen Maß. Gleichzeitig erleichterte sich mit dem offenen Weg in die Vereinigten Staaten auch der Weg zum Weltmarkt, Preise für viele Güter sanken. Die Exporte stiegen und der Wohlstand wuchs – bis heute hat sich eine starke Mittelschicht gebildet, die vorher kaum erwähnenswert war. Durch das Interesse ausländischer Investoren und dem neuen Platz im Weltmarkt, internationalisierte sich die Gesellschaft, was weitreichende Auswirkungen für Bildung und Forschung hatte, Mexiko war auf dem Weg hin zum Schwellenland. Durchaus lässt sich sagen, dass NAFTA der Grundstein des heutigen modernen und industrialisierten Mexikos ist.

Doch es wäre niemanden geholfen, nur die Vorteile darzustellen. NAFTA bedeutete für viele nicht Wohlstand, sondern in erster Linie Veränderung. Hier wurde in den Jahren seit der Einführung einiges verschlafen. Umweltschützer schlagen Alarm angesichts der Zahlen der abgeholzten Bäume des Regenwaldes, der in dieser Region eine einzigartige Flora und Fauna beherbergt. Achtlos wurden Flüsse und Bäche verschmutzt, der Smog in den größten Städten des Landes ist eine reelle Gefahr für die Stadtbewohner. Auch kann man sicher nicht sagen, dass sich der Wohlstand gleich verteilt hätte. Während vor allem die obere Bildungsschicht von der Globalisierung profitierte, hatte die untere Bildungsschicht enorm mit Veränderungen zu kämpfen, ihre Geschäftsfelder waren durch die Modernisierung und die Technik rückständig oder unprofitabel geworden. Echter Wettbewerb war zudem nicht hergestellt, was den Markt durchaus zu Lasten der Bauern und Landarbeitern verzerrte. Ein Beispiel hierzu ist die Subventionierung der Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten, die nun Mais günstiger nach Mexiko liefern, als es die Bauern dort herstellen konnten. Der Zorn und das Ungerechtigkeitsgefühl der mexikanischen Landwirte ist also nachvollziehbar.

Also welches Zwischenergebnis können wir nun zweiundzwanzig Jahre später ziehen?

Das Freihandel auch negative Konsequenzen mit sich bringt, darf nicht negiert werden. Diese wären aber minimiert, wenn der Markt nicht durch Subventionen oder Regulierungen starr und träge gemacht worden wäre. Zum Thema Umwelt und Verbraucherschutz braucht es wiederum eine starke Lobby aus Verbänden und Gruppierungen, die sich mit dafür einsetzen, dass weder die Standards, noch die Umwelt an den Folgen des wirtschaftlichen Booms leiden. Grundsätzlich brachten der freie Handel und das Fallen der Grenzen einen unglaublichen Aufschwung in Wirtschaft, Wohlstand und Bildung, auf den Mexiko 1992 gar nicht verzichten konnte. Heute ist Mexiko ein Land, in dem die Start-Up-Szene immer größer wird, in Think-Tanks Ideen auserkoren werden, Startkapital bei ausländischen Investoren eingesammelt werden kann und die jungen Unternehmen dann Schritt für Schritt die Welt erobern. Alles Dank der neuen Freizügigkeit.

Auch hier in Deutschland müssen wir uns fragen, ob wir es uns oftmals zu einfach machen und leichtfertig die Möglichkeit mit einem Freihandel zwischen den USA und Deutschland verspielen. Sicher mag es Punkte geben, über die wir diskutieren müssen und Verbände und Vereine geben ihr Bestes, Umwelt- und Verbraucherschutz fest in den Verträgen zu verankern. Denn dass dies notwendig ist, das haben wir aus NAFTA gelernt. Was wir aber auch lernen konnten, ist dass der freien Handel nicht nur den Konzernen und der Oberschicht nützt, sondern letztendlich bei jedem ankommt. Die Idee des Freihandels ist auch mit die Idee der Freiheit und die Überwindung von Grenzen. Und gerade das tut den toleranten, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen sehr internationalen Deutschen gut.

Du willst weitere Informationen über Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur Lateinamerikas erfahren? Demnächst startet unser Blog dazu. Seid gespannt!

 


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Kommentare

Eine Antwort zu „NAFTA – was wir Deutschen vom Freihandel lernen können“

  1. Avatar von Lemke

    I think it is important to mention also disadvantages apart from the Environment side that NAFTA brought to the country.

    Mexico during the 80’s was starting to develop its own industry but naturally it was not running at the same pace as in the USA. In the 90s when the Agreement took place many family companies had to close due to the disadvantages they faced against the USA and Canadian products been sold at extremely low prices. Salinas de Gortari agrred on allowing ridiculously accelerated elimination of duties and did not provided the national companies with enough resources to make them competitive. The result of it is seen now 20 + years later. Start up companies are nice but what Mexico needs is a stable structure and incentives to grow.

    Nevertheless I believe agreements should exist. In my personal point of view is to produce better (quality wise) regional products that can be exported to other lands at reasonable prices.

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