Kindergarten

Hausbauen,  mit Du – Eine Satire

Nach 13 Jahren bin ich aus meinem alten Job geflogen. Man wollte mich nicht mehr. Doch ob mein neuer so viel besser ist… ich weiß es nicht. Wer arbeitet bitte in einem Kindergarten?. Wobei, doch. Es gibt tolle Kindergärten habe ich festgestellt. Voller Akademiker Kinder, die heißen dann Konstantin, mit C und mit K, Wilhelm oder Greta. Ihre Eltern sind Ärzte, Anwälte oder Lehrer. Denen liest man dann Kafka oder Kant vor. Wenn man nicht gerade in eine hitzige Debatte über Atomstrom und die Bildungspolitik verwickelt ist. Später wählen dann die meisten CDU. Einige auch die Grünen oder die FDP, kommt ja eh aufs selbe raus.

Doch in meinem Kindergarten wird niemand FDP wählen. In meinem Kindergarten wird wahrscheinlich nie irgendwer wählen.

„Chahloh“ Durch diesen Ruf, links neben meinem Ohr werde ich unsanft aus meinem Gedankengang gerissen. Ich kenne diesen Ruf. Er stammt vom Murat. Murat ist der einzige Türke von dem ich weiß, der die drei deutschen Wörter die er kennt mit russischem Akzent ausspricht: „Chahloh“, „Chaput“  und „Nastrovje“. Ich winke ihm kurz zu, mehr möchte er auch gerade gar nicht. Ich versuche mich wieder in Gedanken zu flüchten.

Jemand zieht an meinem Hemd. Ich drehe mich herum und blicke in das Gesicht von Halil. Seine großen braunen Knopfaugen gucken mich erwartungsvoll an. Aus seiner Nase ragt etwas grüner Schleim. „Ich will Hausbauen… mit du!“ Sagt er in einwandfreiem nichtdeutsch. „Mit dir ein Hausbauen“ korrigiere ich ihn liebevoll. Verdutzt sieht er mich an. Dann wieder ein Lächeln, und er schüttelt den Kopf. „Nein… mit du! Nicht mit mir“. Ich belasse es dabei und gehe „Hausbauen“. Gestern war es Auto, und dann wird es wahrscheinlich Flugzeug sein. An guten Tagen auch mal ein Autoflugzeug, oder ein Hausauto.

Aber ist ja klar, dass er nicht mal deutsch kann, es regt mich auf. Wer hier lebt sollte auch ordentlich Deutsch sprechen können. Seine Eltern können es auch nicht. Aber das sollte ihn ja schließlich nicht abhalten auf eigene Faust einen Integrations- und Sprachkurs an der VHS zu besuchen. „Chaloh!“ Was? Natürlich weiß ich, dass er erst 3 ist. Ja und?  Integration muss verpflichtend schon mit drei beginnen. Oder Früher. Ansonsten streichen wir eben das Kindergeld.

Jetzt bauen wir aber erstmal Haus. Vielmehr ich baue, und er stapelt Bausteine. Kapiert der nicht, dass die aneinander liegenden Kanten, wieder von einem andern Stein überbrückt werden müssen? Ist auch egal, denn jetzt geht er erstmal aufs Klo. „Aber du musst nur Pipi oder?“ Frage ich vorsichtshalber einmal nach. Er nickt grinsend. Ich glaube ihm. Es bleibt aber auch keine Zeit sich weiter Gedanken darum zu machen. Denn von irgendwo kommt ein lautes Schreien und Heulen.

Bevor ich aber irgendwas mache, desinfiziere ich mir die Hände. Schließlich hatte ich ja, all die Bausteine in der Hand. Voller Viren, Bakterien, Pilzen und all dem anderen Unrat, der hier herumgespuckt getragen und verbreitet wird. Morgen verbrenne ich sie am besten alle. Genauso die Tische. Ich könnte sie noch 1000-mal abwischen. Mit einem nassen Lappen die Sporen und fett Abdrücke der Kinderhände, voller Schnodder und Rotze, neu verteilen. Sauber wird davon nichts. Sauber wird es erst wenn ich alles Verbrenne und die Asche in einem Bleisack einbetoniere. SARS, , Collera, Pest oder Nasenherpes. Ein Märchen, dass so etwas im fernen Asien entsteht. In unseren Heimischen, von Rotznasen und fettigen Kinderhänden überbevölkerten Kindergärten wird so etwas gezüchtet. Und weiter verbreitet. Wieder ein „Chaloh“, und ich winke wieder.

Dennis kommt auf mich zu. „Der…“ schnief, „der Kai weint“.   „Warum weint der Kai denn?“  Der Dennis guckt mich ungläubig an. „Weil ich ihn mit Auto hauen habe…“ „Lan“.

Immerhin, ich freue mich, dass er wenigstens ehrlich ist. Aber wenn Kai weint ist das eh nicht so dramatisch. Er weint gerne. Er weint oft und er weint vor allem ohne auf zu hören. Dennoch gehe ich zu ihm. Gehe aber auch schnell wieder weg. Es hat eh keinen Sinn. Er schreit vor sich hin. Schreit, dass alle scheiße sind. Dass er Dennis und mich hasst. Und weil er uns so sehr hasst, schmeißt er einen Stuhl um. Aus dem Gekreische höre ich heraus, wie es zum Streit gekommen ist, dass er Haligalli verloren hat, die Karten weggeschmissen, und Dennis ihn dann mit einem Auto gehauen hat. Ja, dass Gefühl kenne ich, auch mal verlieren zu müssen, versuche deswegen auch ihn zu trösten.

Nein, natürlich Schwachsinn, ich verliere doch nicht. Was für ein Loser, verliert denn in Halligalli gegen einen 4 Jährigen? Dennoch will ich Kai aufmuntern. Aber meine Phrase: „Weißt du Kai, mal verspeist man den Bären, und mal wird man vom Bären verspeist“, hatte nicht die gehoffte Wirkung. Wahrscheinlich kennt der Banause den Duden nicht. Dann soll er ruhig heulen. Versager. Halligalli Verlierer. Nasenherpesüberträger.

Derweil ertönt aus der Toilette ein zartes Rufen.  „Fätig!“. „Fätig!“. Genervt drehe ich mich Richtung gelber Toiletten Tür. Ich ahne schlimmes.

Um die Tür und ihre Bazillen nicht berühren zu müssen Puste ich die Tür auf. Oder versuche es zumindest. Weil es nicht klappt, gebe ich ihr einen Tritt und sie kracht gegen die Wand. Statt Halil abzuschrecken ruft er nur noch lauter. „Oachim… Fägtig!“.

Aus Halils Klokabine grinsen mich mittlerweile zwei Gesichter an. Ein großes Rundes, und daneben ein etwas Kleineres mit großen braunen Knopfaugen. „Chaloh!“ Ich winke.

Halil steht auf allen Vieren, reckt mir seinen Popo entgegen und Grinst. Grinst wahrscheinlich weil ihm klar ist, dass ich, trotz Abitur und guten Deutsch- und Hygiene-Kenntnissen den beschisseneren Job von uns beiden habe. Ich mache seine Scheiße weg. Ich fange mir die Bazillen ein, die er züchtet.

Chaloh!“ Ich winke wieder, diesmal grinse ich auch. Aus Verzweiflung.

Wenigstens ist heute Freitag.

Sonntagabend. Ich liege zuhause in meinem Bett. Es ist still. Neben mir ein Haufen alter Klamotten, sie stinken nach dem Qualm der Clubs vom Wochenende, und leere Jogurtbecher stapeln sich auf dem Tisch. Staubmäuse neben dem Bett. Ein Weinflecken auf dem Fußboden.

Bevor ich einschlafe denke ich an Montag, dabei legt sich ein kleines Lächeln auf mein Gesicht. ich freue mich drauf. Denn Montag werde ich wieder Hausbauen. Hausbauen, mit du!


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