Gewalt im Amateurfußball

Gewalt im Amateurfußball – ein soziales Problem

Am vergangenen Wochenende erregte eine Meldung aus dem Lokalsport die Gemüter in meiner Heimat. Das Kreisligaspiel Türkische Jugend Dormagen gegen die SG Neukirchen/Hülchrath musste kurz vor Schluss abgebrochen werden, weil ein Dormagener Spieler kurz vor Schluss einen Gegenspieler schlug, der daraufhin bewusstlos zu Boden sank und umgehend in ein Krankenhaus gebracht werden musste.

Wer glaubt, dies sei ein Einzelfall, der täuscht sich. Gewalt im Amateurfußball ist heute leider an der Tagesordnung. Zwar gab es schon immer Scharmützel am Rande der Seitenauslinie, doch die Entwicklung in den letzten Jahren übertrifft alles bisher Dagewesene. Dabei kommt es nicht nur zu Konflikten zwischen Spielern. Auch Betreuer und Fans werden oft bedroht und angegriffen. Am stärksten betroffen sind aber die Schiedsrichter, die immer mehr Anfeindungen und Gewalt ausgesetzt werden. Dabei sind es gerade sie, die ihre Freizeit opfern, um als Unparteiischer in einem Spiel zu agieren. Während alle anderen Akteure auf dem Platz und am Platz einer der Mannschaften die Daumen drücken, leiten Schiedsrichter das Spiel rein freiwillig und ohne weitergehende Interessen. Der Schutz der Schiedsrichter sollte also das größte Interesse aller Fußballfreunde sein, denn wenn es so weiter geht, dann finden sich bald schon keine Freiwilligen mehr für diese wichtige Tätigkeit.

Doch was sind die Ursachen für die Gewaltexzesse im Amateurfußball? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten und es gibt zum Teil widersprüchliche Studien und Aussagen. Ein Grund dürfte jedenfalls sein, dass Fußball eine sehr emotionsgeladene Sportart ist. Es sind diese Gefühle, die den Fußball für uns so besonders machen. Doch diese Emotionalität ist ein schmaler Grat, denn die positiven Emotionen, die der Fußball auslöst, können sich schnell in negative Emotionen wie Frust, Hass und Gewalt umschlagen.

Öffentlich wird derzeit häufig darüber diskutiert, dass auffallend viele Spieler mit Migrationshintergrund in Gewalttaten auf den Fußballplatz involviert sind, so auch im vorliegenden Fall aus unserer lokalen Kreisklasse. Es stimmt zwar, dass Migranten oft die Täter sind, aber Studien haben gezeigt, dass sie auch genauso oft Opfer sind. Vielen Gewaltausbrüchen gehen rassistische Beleidigungen voraus. Auf dem Fußballplatz findet viel Trash-Talk statt und viele Spieler versuchen ihren Gegenspieler mit Beleidigungen zu provozieren. Man sucht nach einer Schwachstelle des Gegners, um ihn am empfindlichsten Punkt zu verletzen. Während es bei Fußballern gleicher Nationalität meist bei platten „Deine Mutter“-Sprüchen bleibt, bietet sich bei Fußballern unterschiedlicher Nationalität eine größere Angriffsfläche.

Es ist aber zu kurz gedacht, wenn man dieses Phänomen nur auf die Nationalität beschränkt. Oft ist es nämlich so, dass vor allem soziale Hintergründe eine Rolle spielen. Wer gut erzogen und im Leben erfolgreich ist, der nutzt Fußball nunmal als Freizeitausgleich und weiß, dass es sich nicht lohnt, eine Schlägerei wegen eines Fußballspiels anzuzetteln. Wer allerdings aus einem Problembezirk stammt und wer große Sorgen und Existenzängste hat, der nutzt den Fußball zur Frustbewältigung und um mal für 90 Minuten dem Alltag zu entfliehen. Da ist ein dummer Spruch oder ein rüdes Foul oft der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und dafür sorgt, dass sich die angehäufte Spannung in einem Gewaltexzess entlädt. Dies ist absolut nicht tolerabel, jedoch die traurige Realität.

Es ist nunmal so, dass hier eine starke Korrelation vorliegt. In Problembezirken ist der Ausländeranteil meist sehr hoch. Wenn also ein junger Mensch mit Migrationshintergrund aus einem Problembezirk eine Gewalttat auf dem Platz begeht, dann hat man schnell die Erklärung zur Hand, dass es ja daran liegen muss, dass er Ausländer sei, doch gibt es hierzu keine klaren Beweise oder Anhaltspunkte. Der Grund hierfür ist aus meiner Sicht schlicht und einfach, dass er aus einem sozial schwachen Milieu stammt.

Dieses Phänomen wird leider durch einen weiteren Aspekt verstärkt. In Stadtteilen mit gehobener Lebensqualität sind Spieler mit ausländischem kulturellen Hintergrund meist bestens in ihre Teams integriert und absolut unauffällig. In sozialen Brennpunkten mit hoher Ausländerquote ist es aber so, dass sich oft Teams einer Nationalität gründen, in denen nur wenige Deutsche spielen. Auch hier besteht die besagte Korrelation zwischen Migrations- und Sozialhintergrund. Die Wahrscheinlichkeit eines Gewaltexzesses ist bei solchen Mannschaften also ungleich höher, wohlgemerkt nicht, weil sie einen Migrationshintergrund haben, sondern weil sie aus sozial schwachen Verhältnissen stammen.

Es ist also an der Zeit, mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass Vereine mit einem ausländischen Vereinsprofil gewaltbereit seien, weil dort Menschen mit Migrationshintergrund spielen. Die Wahrheit ist nämlich, dass sie eine unschätzbare Integrationsarbeit in sozial schwachen Milieus leisten und viele Jugendliche von der Straße holen. Zwar ist es durchaus kritisch zu sehen, dass sich Jugendliche gleicher kultureller Prägung in einer Mannschaft zusammenfinden und dadurch kaum Durchmischung stattfindet, aber nichtsdestotrotz bieten diese Vereine jungen Menschen eine Perspektive. Dass es dabei immer wieder vereinzelt zu Rückschlägen kommt ist quasi vorprogrammiert, jedoch darf dies nicht zur Stigmatisierung einzelner Vereine mit ausländischem Vereinprofil kommen. Stattdessen sollte man sie gebührend für ihre schwierige und wertvolle Integrationsarbeit loben.

Letzten Endes muss man auch beim Thema „Gewalt im Amateurfußball“ an den gesunden Menschenverstand, an Zivilcourage und an Eigenverantwortung appellieren. Wir dürfen nie vergessen, dass Fußball die schönste Nebenbeschäftigung ist, die es gibt. Bei allem Ehrgeiz und bei aller Emotionalität sind der Spaß am Spiel und der faire Wettkampf noch immer die wichtigsten Elemente eines Fußballspiels. Wir alle dürfen nicht zulassen, dass Gewalt unseren schönen Sport zerstört. Oder wie der Kaiser sagen würde: Und nu geht’s raus und spielt’s a fairen Fußball!


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