Kunstfehler

Errare humanum est – Offenerer Umgang mit ärztlichen Kunstfehlern

Von meinem Lateinunterricht aus der Schule ist nicht mehr viel hängen geblieben. Da geistern zwar noch einzelne Zitate wie „Alea iacta est“ oder „Cogito ergo sum“ in den Untiefen meines Gehirns herum, das war es aber auch schon fast. Zu diesen Zitaten gehört auch „Errare humanum est“ – „Irren ist menschlich“.

Dieser Satz beschreibt in seiner Einfachheit eins der wichtigsten Charakteristika des Menschen. Nämlich, dass Fehler zur menschlichen Natur gehören und dass es keinen „perfekten Menschen“ gibt, und doch legen wir immer wieder einen unerfüllbaren Maßstab an manche Menschen an.

Doch nur „Pseudohalbgötter in Weiß“?
Wenn der Fliesenleger eine Fliese falsch legt, dann ist das ein Fehler gewesen, dieser wird behoben und niemand sieht seinem Fliesenleger diesen Fehler nach. Wenn ein Bäcker seinen Teig falsch zubereitet – macht er eben einen neuen.

Doch macht ein Arzt einen Fehler so hat er sofort „gepfuscht“, ist seiner Arbeit nicht gewachsen oder war sich seiner Verantwortung nicht bewusst. Natürlich kann man die Tätigkeit eines Arztes nicht mit der eines Bäckers vergleichen. Auch steht die Verantwortung, die ein Fliesenleger trägt in keinem Vergleich zu der, die ein Arzt trägt, der ein Menschenleben in seinen Händen hält. Wir alle legen unsere Gesundheit und damit auch unser Schicksal in die Hände unseres Arztes und niemand möchte dieses durch eine Unaufmerksamkeit des Arztes riskieren. Nichts desto trotz, können wir auch von Ärzten nicht erwarten fehlerfrei zu sein und müssen uns entfernen von dem Bild des „Halbgottes in Weiß“.

Fehlende Fehlerkultur ist ein Fehler
Einige Behandlungsfehler könnten behoben, oder zumindest ihre Folgen eingeschränkt werden, würden sie bereits frühzeitig erkannt, zugegeben und behandelt werden. Doch da ärztliche Behandlungsfehler noch immer ein Tabuthema sind, steht das dieser Vorgehensweise im Weg. Dieses Tabu und die teilweise immer noch strikten Hierarchien im Krankenhausalltag verhindern zudem, dass unerfahrenes medizinisches Personal Erfahrenere auf potentielle Unstimmigkeiten hinweist. Eine Akzeptanz der Tatsache, dass auch Ärzte nicht unfehlbar sind, würde also auch den Patienten helfen.

Maßnahmen zur Fehlerreduktion
Zusätzlich zu der Enttabuisierung ärztlicher Behandlungsfehler können weitere Maßnahmen zur Verminderung der Fehlerquote führen. Besonders vor Operationen hat es sich als sinnvoll gezeigt, kurze Team-Briefings durchzuführen, die den anstehenden Eingriff kurz vorbesprechen, sodass alle Teilnehmer auf die kommende Situation vorbereitet sind und dass das Vorgehen klar ist. Ein weiteres Instrument wären standardisierte Protokolle, durch die Patienten-, Körperteil- oder Behandlungsverwechslungen verhindert werden können.

Doch damit diese Maßnahmen sinnvoll und ernsthaft von allen Beteiligten durchgeführt werden können, müssen diese auch ihre eigene Fehlbarkeit anerkennen und offen mit dieser umgehen. Eine offenere Diskussion über das Thema in der Gesellschaft würde dabei jedoch sicher helfen und einen großen Schritt bedeuten.


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