Organspende

Ein Herz für Dich – Organspende für Faule

Irgendwann erwischt es jeden. Sorry, aber: Ja, auch dich!
Dein Körper wird den Dienst verweigern und das bunte Synapsenfeuerwerk in deinem Gehirn versiegt. Dein Hypothalamus und die Hypophyse zeigen sich ein letztes Mal großzügig und geben jede Menge Endorphine frei, während du dich mit einem mehr oder minder bedeutenden Gedanken von der Welt verabschiedest. Dann geht alles recht schnell: Rien ne va plus – Du bist Hirntot!

Die meisten von uns werden mit diesem Ereignis wohl in einem Krankenhaus konfrontiert, das Gesicht Richtung Decke und den Blick auf eine leicht flackernde 36 Watt Leuchtstoffröhre gerichtet. Manch einer stellt sich das eigene Ableben zwar, wenn überhaupt, lieber als sanftes entschlafen in einem Schaukelstuhl auf der ins Abendrot getauchten Veranda vor, doch das Hospital hat eine großen Vorteil. Wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum deines Körpers nämlich noch nicht ganz abgelaufen ist, du dich keinen exzessivem Drogenkonsum hingegeben oder ansteckende Krankheiten gehabt hast und selber noch nicht zu oft ins Ersatzteillager greifen musstest, dann kommt jetzt dein Moment zu glänzen. Tu das, was du den vielen kitschig-romantischen Postkarten nach schon so oft getan hast: Verschenke dein Herz! Oder deine Bauchspeicheldrüse oder die Nieren. Vielleicht braucht jemand deine treue Lunge, die dich damals fast mal durch einen Halbmarathon gebracht hat (wolltest du das nicht eigentlich noch mal versuchen?).
Wäre das nicht was? Du bist tot, kannst ganz unbeteiligt liegen bleiben und dabei anderen auch noch helfen. Das wäre sogar leichter als die 5028te Tierschutzkampagne auf Facebook zu ‚liken’. Dennoch scheint diese Art von Charity nicht wirklich etwas für uns Deutsche zu sein.

Obwohl den Umfragen von Forsa (2013 beauftragt durch die BzGA) zufolge 78% der Deutschen dem Thema positiv und aufgeschlossen gegenüber stehen und 68% mit einer Entnahme von Organen nach ihrem Tod einverstanden wären, hatten nur 28% der Stichprobe tatsächlich einen Organspendeausweise.
Die 40% der Befragten, welche zwar mit einer Entnahme einverstanden waren, allerdings keinen Organspendeausweise hatten, würden aufgrund der momentanen geltenden Zustimmungsregelung entweder nicht als Spender herangezogen, oder diese wichtige Entscheidung würde den Verwandten aufgebürdet. In solch einer Schocksituation begründete Urteile zu fällen, dürfte jedoch den meisten Angehörigen äußerst schwer fallen.

Zwar führt Deutschland die Statistik der Organvermittlungsstelle Eurotansplant mit 851 verstorbenen Spendern im Jahr 2014 deutlich an, dennoch hoffen viele Patienten vergebens. Die Zahl der Wartenden blieb über Jahre mit ca. 11.000 – 12.000 Personen trügerisch konstant, was aber einzig darauf zurückzuführen ist, dass jeden Tag ungefähr 3 dieser Patienten an ihrer Erkrankung verstarben und ebenso viele neu hinzu kamen.

Eine Möglichkeit hier Abhilfe zu schaffen, wäre die Umstellung von der Zustimmungsregelung auf eine Widerspruchs- oder erweiterte Widerspruchsregelung. Statt also von jedem potentiellen Spender oder deren Angehörigen eine explizite Erlaubnis zu benötigen, würde die Erlaubnis der Organentnahme angenommen, solange keine Form des Widerspruchs vorläge. Die erweiterte Regelung würde auch einen Widerspruch durch Angehörige ermöglichen. Widerspruchsmöglichkeiten könnten relativ problemlos durch vermerke im Ausweis, auf den Gesundheitskarten oder über Online-Datenbanken realisiert werden.
Viele europäische Länder wie z.B. Frankreich, Belgien, Polen oder Finnland setzten diese Regelungen schon seit langem erfolgreich ein.
In Deutschland könnte so der große Teil von spendewilligen Bürgern im Fall der Fälle berücksichtigt werden, welcher jetzt aus Ermanglung von mitgeführten Organspendeausweise nur selten die Chance hat sich postum noch altruistisch zu zeigen.
Diese Regelung käme all jenen entgegen, die sich zu Lebzeiten nicht mit lästigem Papierkram herumschlagen wollen, deren Portemonnaies ohnehin schon aus allen Nähten platzen, oder die sich schlicht nicht mit dem eigenen Ableben auseinandersetzen möchten. Es ist nämlich durchaus verständlich, dass man nicht bei jedem Blick auf den beständig schmelzenden Bargeldvorrat gleich noch ein subtiles „memento mori“ von einem kleinen orange-blauen Pappkärtchen zugeraunt bekommen möchte.*
Damit eine solche Umstellung aber tatsächlich reibungslos von Statten gehen kann, braucht man zwei Dinge, welche heutzutage in derart inflationärer Weise genannt werden, dass sie bald leeren Worthülsen gleichen: Transparenz und Vertrauen – und zwar in dieser Reihenfolge.

Das Thema Organspende löst bei vielen Mitbürgern Unbehagen und Ängste aus. Der Forsa-Umfrage nach hatte ein Großteil der Personen, die eine Organentnahme ablehnten, erhebliche Bedenken gegenüber dem System und den Vorgängen bei der Organtransplantation.
Die häufigsten Sorgen (über 50%) waren der Missbrauch durch Organhandel, oder dass die Vergabe manipuliert bzw. ungerecht erfolgt. 43% der Organspendengegner befürchteten, dass die Ärzte nicht mehr vollen Einsatz zeigen würden, wenn sie als Spender infrage kämen. Fast jeder Dritte hatte Angst, dass Organe schon vor seinem Tod entnommen werden könnten.
Solche Ängste wurden vor allem durch Skandale über gefälschte Patientenakten, wie etwa 2012 in Göttingen und unrechtmäßige Vergaben, etwa beim Klinikum der TU München, geschürt. Das merkten auch die Transplantationskliniken, sowie die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung und versuchten durch Kampagnen und die Einhaltung strenger Vergabe- und Kontrollrichtlinien das Vertrauen der Bürger wieder zu vergrößern. Neben Meldestellen für anonyme Hinweise und den Kontrollen der Transplantationszentren, sowie interdisziplinäre Transplantationskonferenzen mit „Sechs-Augen-Prinzip“, gibt es regelmäßige Veröffentlichungen durch die Prüfungs- und Überwachungskommission und Bestellungen von Transplantationsbeauftragten.
Leider kommen diese Informationen meist nicht bei den Zielgruppen an. Wer liest denn schon einen ungewollten und langweiligen Flyer einer Bundeszentrale?
Daher existieren auch heute noch Vorbehalte gegenüber der Organspende, die es weiter aktiv abzubauen gilt. Der Dialog muss hier aufrechterhalten und auch die medizinischen Neuerungen in diesem Bereich aktiv einbezogen und kommuniziert werden.

Über einige Bereiche der Organspende wird bis heute kontrovers diskutiert, so besteht z.B. keine flächendeckende Einigkeit darüber, wie vorzugehen ist, wenn der Hirntod als Voraussetzung für die Organentnahme angenommen wird, der Patient aber lebenserhaltenden Maßnahmen widersprochen hat. Für die Feststellung des Hirntods müssten die Vitalfunktionen nämlich künstlich aufrechterhalten werden.
Auch die organprotektive Intensivtherapie, die den Körper des Hirntoten ‚am Laufen’ hält, um den bestmöglichen Zustand der Organe zu gewährleisten, wird unter solchen Gesichtspunkten kritisiert. Schon der Hirntod als solches wird von einigen Seiten als Kriterium für die Organentnahme abgelehnt, da noch nicht alle Vitalfunktionen der Zellen erloschen sind. Hier kann man einwenden, dass der Tod als Prozess gesehen werden muss. Ein hirntoter Patient hat keine reelle Chance jemals wieder zu genesen, daher ist er ‘tot genug’ für eine Organentnahme. Die Organe hingegen sind im besten Fall noch gut genug versorgt, um eine Verpflanzung zu ermöglichen.
Ob Unterschiede in der Einstellung der Schmerztherapie zwischen potentiellen Organspendern und Nicht-Spendern gemacht werden und ob das Einfluss auf das Ausmaß der Schmerzlinderung hat, kann ich hier leider eben so wenig beurteilen, wie die Sinnhaftigkeit von Sedierungen hirntoter Spender. (Wer genaueres darüber weiß, schreibt es mir bitte in die Kommentare)
Argumentationen die hingegen beinhalten, dass die Organentnahme oder die Intensivtherapie die Würde des Menschen verletzen könnte, kann ich in keiner Weise nachvollziehen. Und selbst in den meisten Religionen steht das Retten und Bewahren von Menschenleben über nahezu allen anderen Regeln.

Prinzipiell dürfte der Umstellung auf eine Widerspruchsregelung bei Organspenden also kein rationales Argument widersprechen. Mit der aktuellen Regelung stehen jedoch Mehraufwand für den potentiellen Spender, sowie das durchaus nachvollziehbare Pietätsgefühl der Ärzte den Angehörigen gegenüber, vielen Organentnahmen entgegen. Hier ist nun die Politik gefragt das Thema wieder auf die Agenda zu setzen und dafür zu sorgen, dass diese unnötige Regelung nicht weiterhin eine Großzahl von Spenden verhindert.

Wenn sich der geneigte Leser nun doch einen Organspendeausweise als farbliches Accessoire in die Brieftasche packen will, kann er sich diesen HIER bestellen oder zum Selbestausdrucken herunterladen.

* Ja! Ist richtig! Heute kann man das auch auf der Gesundheitskarte speichern lassen… Schlaumeier.


Beitrag veröffentlicht

an

in

von

Kommentare

Eine Antwort zu „Ein Herz für Dich – Organspende für Faule“

  1. Avatar von Jörg Hülsmann
    Jörg Hülsmann

    Hallo Benjamin,

    danke für deine recht ausfühliche Ausführung für Organspende. Ich bin selber regelmäßig auf Infoständen tätig und Informiere über die Organspende und die Möglichkeiten sich zu entscheiden. Eigentlich möchte ich dem hier dagestellten zustimmen, ich möchte aber doch noch ein wenig rummeckern (Ich hoffe du bist mir dafür nicht böse).
    1. der Deutsche Etikrat war sich uneinig in der Definierung des Hirntodes, aber nicht das der Hirntod ein indikator für die Organentnahme sei. Alle Anwesenden sprachen sich für Organspende aus.
    2. Bei einem Hirntod ist der Bereich der Schmerzempfinden im deutschen Raum ausgeschaltet da man in Deutschland „Ganzhirntod“ sein muss und nicht vie in den USA oder UK nur der Hirnstamm abgstorben sein muss (Das sind dann auch die, die von den Organspendegenern gerne benannt werden „Seht ihr der leb t doch noch“, dabei handet es sich aber nicht um ein deutsches Problem. Hier heist die Hirntoddiagnose Organspende oder abschalten. Aber es steht einen frei auf den Organspendeausweis einen Vermerk einzutragen „Entnahme nur unter Narkose“. Dieses wird, da eine Meinungsäusserung des Spender vom Entnahmeteam auch befolgt.
    UNd ja, leide ehält jedes traurige Tierbild 100 mal mehr klick und Beiliedsbekundungen als ein Kind das auf ein neues Leben wartet. Wer sich selber ein Bild machen möchte den Empfehle ich denFAcebookblok einer aussergewöhnlichen jungen Dame: https://www.facebook.com/lebenmitlebernwiemeinen.lina?fref=photo
    Oder einer jungen Frau die ein neunes Leben in Form einer Lunge bekommen hat. : http://www.dickydackel.de/

    Wer mehr erfahren möchte, kann dieses im Werk der BÄK: http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=his=0.6.38.3310.8181.11915.3252 nachlesen.
    Der Etikrat hat seine Position hier veröffentlicht: http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/stellungnahme-hirntod-und-entscheidung-zur-organspende.pdf

    Ein besonderes Augenmerk möchte ich auch auf das Buch Hirntod von Klaus Schäfer richten, der sich sehr Verständlich mit dem Thema auseinander setzt.

    Alle Infomaterialen (Auch für andere Themen der Gesundheit) dürfen wir Bundesbürger beim http://www.bzga.de/ kostenfrei bestellen (Haben wir alles schon mit unseren Steuern bezahlt 😉 )

    Noch einmal Danke für deine interessante Sichtweise und ich hoffe ich gelte nun nicht als Klugsch…..

    Macht weiter, coole Seite

    Jörg Hülsmann

    P.S.: Ich habe einen Ausweis und bin Organspender (Y)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.