Arbeitslos? Lama-streicheln hilft!

Na? Was vermutest du? In welchem Land befindet sich die größte Behörde Europas? Im sozialistischen Frankreich? Im bürokratischen Griechenland? Im kommunistischen Russland? Weit gefehlt! Die größte Behörde Europas ist die deutsche Bundesagentur für Arbeit.

Nun scheint auf den ersten Blick klar zu sein, woran das liegt. Immerhin wollen die rund drei Millionen Arbeitslosen in der Bundesrepublik ja schön bemuttert werden. Faktisch arbeiten allerdings gerade einmal ein Fünftel der rund 125.000 Mitarbeiter tatsächlich im Kundenkontakt. Der Rest tut vor allem zwei Dinge: Er berechnet „Leistungsansprüche“ und verwaltet sich selbst.

Die Armutsindustrie ist in Deutschland mittlerweile zu einem riesigen Geschwür am Allerwertesten des Sozialstaats geworden und in den letzten 15 Jahren etwa sechsmal so stark gewachsen, wie die Wirtschaftsleistung. Der Etat der Arbeitsagentur beträgt derzeit rund 35 Milliarden Euro jährlich – etwa 5,5 Milliarden werden für Verwaltungskosten ausgegeben, rund 15,5 Milliarden fließen in das sog. Arbeitslosengeld II. Besonders spannend sind allerdings die nach SGB III zu vergebenden „Eingliederungstitel“ in Höhe von 3,3 Milliarden Euro.

Die Eingliederungstitel sind als Instrument der „aktiven Arbeitsmarktpolitik“ eingeführt worden und sollen vor allem die berufliche Weiterbildung und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen finanzieren. Was aus diesen Töpfen so alles finanziert wird, sollen die folgenden Beispiele verdeutlichen (Achtung: keine Ironie!):

  • Ein fünfwöchiger Motivationskurs, an dem größtenteils Ü50-Arbeitssuchende teilnehmen und sich überlegen, welchen Beruf sie in Zukunft ausüben möchten und was sie auf eine einsame Insel mitnehmen würden, Kosten: 1.000€ pro Person
  • Über mehrere Wochen Stricken lernen und Theater spielen, wer wollte das nicht immer schon einmal machen? Und dann auch noch gut finanziell ausgestattet vom Jobcenter? Kosten: 150€ pro Person pro Woche
  • Arbeitssuchende werden alle paar Wochen zu einem Ausflug eingeladen, manchmal ins Museum, manchmal aber auch zu einem Spaziergang mit Lamas (!), Kosten: 50€ pro Person
  • In einem Spielzeug-Supermarkt werden Arbeitssuchende mehrere Monate auf das Berufsleben vorbereitet und üben dort das Einräumen von Regalen oder das Bedienen einer Scannerkasse, Kundenkontakt: nicht vorhanden, Kosten: 4.700€ pro Person
  • Ein Global Player sucht Gerüstbauer für ein neues Projekt – die einzige Voraussetzung: Teilnahme an einer zweimonatigen Qualifizierung, Jobaussicht im Anschluss: ein zweimonatiges Praktikum beim Unternehmen, Kostenträger: die Bundesagentur
  • Ähnliches Beispiel: Ein Logistiker sucht noch LKW-Fahrer und wendet sich dazu an das Jobcenter. Dieses zahlt die Führerscheinkosten (bei einem LKW-Führerschein locker 2.000€) allerdings ohne die Garantie auf eine dauerhafte Vermittlung
  • Besonders schwere Fälle werden zur Vermittlung an private Arbeitsvermittler weitergeleitet – wenn diese sechs Wochen lang einer geregelten Tätigkeit nachgehen, erhält der private Vermittler einen Bonus von 1.000€; endet die Tätigkeit danach sind nach den nächsten sechs Wochen Beschäftigung wieder 1.000€ drin
  • Fast schon Standard: Die Teilnahme an einem Bewerber- und Telefontraining, egal aus welcher Branche der Bewerber kommt, egal wie alt er ist, egal wie seine Vorerfahrung ist, Kostenpunkt: 500€ pro Person pro Monat.

Für alle diese Maßnahmen gilt: Die Vermittlungsquote liegt danach unter fünf Prozent und – eigentlich noch erschreckender – die Bundesagentur vermittelt insgesamt nur etwa 15 Prozent der Arbeitslosen, alle anderen Vermittlungen gehen auf die Initiative von Bewerbern oder Unternehmen zurück.

Fraglich ist, warum diese Maßnahmen überhaupt ergriffen werden, gerade wenn sie so uneffektiv sind. Die Erklärung ist relativ einfach: Alle, die zum Stichtag der Erstellung der Arbeitslosenstatistik in einer wie-auch-immer-gearteten Weiterbildung stecken oder einen gelben Schein eingereicht haben, fallen aus der Statistik. So sind die offiziellen Daten der Arbeitsagentur um etwa eine Million Menschen “geschönt”. Dazu kommt, dass der allergrößte Teil der Langzeitarbeitslosen tatsächlich nicht – oder nur sehr unwahrscheinlich – vermittelbar ist. Jemanden aus dem Trott von 10 Jahren ungeregeltem Leben herauszuholen, ist ungleich schwerer, als junge Menschen für den Arbeitsmarkt zu aktivieren.

Die Lösung wäre zum wiederholten Male eine extreme Reformierung der Arbeitsmarktpolitik. Als vorbildhaftes Beispiel soll hier die Niederlande dienen, in der das Motto “kein Geld ohne Gegenleistung” ganz oben steht. In vielen Orten ist es dort Pflicht, sich bereits zwei Tage nach Antragstellung für gemeinnützige Projekte zur Verfügung zu stellen, sofern nicht sofort eine geeignete Stelle gefunden wird.

Für alle, die sich tiefergehend mit der Thematik auseinander setzen möchten und auch noch weitere Facetten der Armutsindustrie kennen lernen möchten, kann ich das Buch “Reich durch Hartz IV: Wie Abzocker und Profiteure den Staat plündern” von Rita Knobel-Ulrich empfehlen.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Arbeitslos? Lama-streicheln hilft!“

  1. Avatar von Fabian
    Fabian

    Also bei den Lamas wäre ich voll dabei!

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