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Rundfunk des Grauens – Are you not entertained?

– Über die Daseinsberechtigung von Unterhaltungsformaten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk –

Ich gebe es zu, ab und an tue ich’s doch noch. Wenn ich alleine bin. Dann lasse ich die Rollladen runter, stelle den Ton leise, und dann, dann schaue ich öffentlich-rechtliches Fernsehen. Aber nicht etwa Phoenix oder Arte, wo man sich, sollte man erwischt werden, eventuell noch durch kluge Argumentation oder Blendgranaten aus der Affäre ziehen könnte. Nein, ich schaue lokale Vorabendprogramme, ZDF Nachmittagsunterhaltung und ARD Zoogeschichten.
Natürlich halte ich das nicht lange durch. Ich bin schließlich auch nur ein Mensch. Ich tue es für den Nervenkitzel und um meine Grenzen auszutesten, aber solche Selbstexperimente können gefährlich werden. Da draußen gibt es schließlich noch ‚Rosamunde Pilcher’, ‚Musikantenstadl’, den ‚ZDF Fernsehgarten’ oder sonntägliche Live-Übertragungen von Gottesdiensten. Und auch mit Serien wie „Sturm der Liebe“, mit weit über 2000 Folgen, die man am liebsten mit einem Ast anstupsen würde, um zu schauen ob da überhaupt noch was lebt, ist keinesfalls zu spaßen.

Die Schuldigen
Ich fühle mich nach solchen Sitzungen immer erschöpft, aber ich habe auch Mitleid, denn ich weiß ja: Die können nichts dafür. Die Intendanten nicht und die Redakteure oder Programmdirektoren auch nicht. Die Landesrundfunkgesetze und der böse Rundfunkstaatsvertrag sind es nämlich schuld, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) Unterhaltungsformate bringen muss, obwohl der das scheinbar gar nicht will – oder kann.
Im Rundfunkstaatsvertrag lautet der Auftrag zum Angebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wie folgt: „Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.“ Da steht es also – Unterhaltung!
In einem unwichtigen Nebensatz steht auch noch sowas wie: „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“ Aber darum soll es ja gerade gar nicht gehen. Ich wollte nur, dass Sie auch das mal gelesen haben.

Er war stets bemüht…
Der Staatsvertrag zwingt den ÖRR also zur Unterhaltung. Und das nehmen diese auch Ernst. Wie mir scheint auch sehr viel ernster als z.B. die Sache mit der Kultur.
Um die vorgeschriebenen Sendeaufträge zu erfüllen, haben sich bis heute 14 Rundfunkanstalten mit eigenem Fernseh- und zum Teil sehr ausuferndem Radioangebot gebildet. Die Gemeinschaft aus ARD und ZDF verfügen insgesamt über 23 Fernsehsender, der Deutschlandfunk noch um 4 eigenständige Radiosender.
Der ÖRR begründet das mit ihrem Auftrag zur Meinungsvielfalt und Diversität.
Mit diesem riesigen Aufgebot an Kanälen will uns der ÖRR also zur unabhängigen politischen und kulturellen Erleuchtung führen. Und was kommt tatsächlich auf diesen vielen Kanälen? Wiederholungen – vornehmlich von alten Eigenproduktionen –, alte, eingekaufte Filme oder Serien. Interessant dabei ist, dass Sender, die sich zumindest dem Namen nach dem Auftrag der Verbreitung kultureller Güter stellten, wie z.B. der Theaterkanal, schnell wieder von den Bildschirmen verschwanden. Andere Kanäle wie zdf.kultur hingegen bringen meist nur Musikshows und Comedy. Na vielen Dank!

Halb informativ
Ein weiter großer Posten im Budget der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ist der Sport. Für die Fußball-WM 2014 sicherten sich ARD und ZDF die Übertragungsrechte. Hierfür sollen Kosten entstanden sein, die die 150-Millionen-Marke weit überstiegen.
Den saisonalen Sportereignissen wird oft viel Sendezeit zuteil. Übertragungen vom Skispringen oder der Bob-WM dauern leicht mehrere Stunden. Ein gutes Viertel der Beitragsgelder wird für die Übertragung solcher Sportveranstaltungen verschleudert.
Manch einer mag das anders sehen, aber für mich zählen solche Sendeformate nicht zum Informationsauftrag sondern klar zur Unterhaltung.
Doch glaubt man den Angaben auf den Homepages des ÖRR, die dort um Verständnis für die Rundfunkbeiträge werben, werden 50% der Sendezeit auf den Informationsauftrag verwendet. Sieht man sich dann aber mal die Programmübersichten der großen Sender wie die von ‚Das Erste’ und des ZDF an, müsste man die abwegigsten Sendungen als „informativ“ bewerten, damit diese Aussage wahr bliebe.
Somit dient der größte Teil der Sendungen meiner Ansicht nach der Unterhaltung, oder besser dem Versuch. Wodurch sonst, wenn nicht durch Unterhaltung könnte man versuchen ‚Die Rosenheim-Cops’, ‚Leute heute’, ‚hallo Deutschland’, ‚Panda, Gorilla, und co.’, ‚Brisant’ oder den ‚Tatort’ rechtfertigen? Mit Kultur? Bildung? Oder gar Information?
Hinzu kommt noch, dass auch die in den Unterhaltungsformaten vermittelten Frames sowie Auslegungs- und Sichtweisen meist gleichförmig und politisch tendenziös sind, wodurch die Vorgaben wie Objektivität und Unparteilichkeit wohl nicht erfüllt werden.

Guter Rat ist…
Die grundlegende Idee eines staatlich und wirtschaftlich unabhängigen Medienapparats zur freien Meinungsbildung, mag vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit und den Beispielen manipulativer staatlicher Medienkontrolle in einigen Teilen der Erde durchaus seine Berechtigung haben. Hierbei muss der Fokus aber ganz eindeutig auf eine unabhängige und ausgewogene politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Aufklärung der Gesellschaft gelegt werden. Ein solcher ÖRR muss nicht unterhalten, er muss nicht spannend sein oder polarisieren. Objektive, fundierte und unparteiische Berichterstattung, die alle Perspektiven umschließt, das sollte das einzige Ziel dieses Rundfunks sein.
Ich rate daher zunächst zu einer radikalen Verschlankung des ÖRR in Deutschland, wobei eine Neuorientierung auf die oben genannten Themen und Werte stattfinden sollte.
Ebenfalls für eine Veränderung spricht sich auch der ‚Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen’ in einem Bericht vom März 2014 aus: „…die öffentlich-rechtlichen Anbieter sollten nur da auftreten, wo das privatwirtschaftliche Angebot klare Defizite aufweist.“

Dann bleibt doch (k)eine Wahl!?
Ich möchte natürlich keinem seinen Tatort, die Quizshow oder Sportübertragung vorenthalten, aber das mein eigener und viele weitere angemeldete Haushalte dafür zahlen sollen, ohne diese Unterhaltungsangebote wahrzunehmen, finde ich grundlegend falsch.
Auch das Argument, dass das Niveau der Unterhaltungsformate auf privaten Sendern noch deutlich tiefer sei und bei Wegfall der öffentlich-rechtlichen Inhalte Volksverdummung drohe, ist heutzutage stumpf geworden. Zum einen würden private Anbieter versuchen die frei werdenden Nischen zu bedienen, solange das wirtschaftlich interessant ist. Zum anderen gibt es heute mit Anbietern wie Maxdome, Netflix, Watchever, Sky, Amazone Prime und vielen weiteren Video-on-Demand Plattformen gute Alternativen zum Unterhaltungsangebot des deutschen Rundfunks. Diese Pull-Medien, bei denen sich der Nutzer jederzeit genau den Inhalt heraussuchen kann, der ihn interessiert, sind vor allem im Bezug auf die Unterhaltung den Push-Medien, wie dem redaktionell durchgeplanten und fest getakteten Fernsehen klar überlegen.

Kurz und bündig
Wer bestimmte unterhaltende Inhalte sehen möchte, sollte freiwillig dafür zahlen. Wer diesen Inhalt nicht sehen will, sollte nicht aus „Solidarität“ zur Zahlung genötigt werden. Es ist im Hinblick auf die Errungenschaften der neuen Medien nicht mehr nachvollziehbar, warum Unterhaltung (und damit meine ich auch Sport!) ein Teil des ÖRR sein sollte. Die Abschaffung der Unterhaltungselemente und damit die Verschlankung des ÖRR ist neben einer grundlegenden Rückbesinnung auf dessen ursprünglichen, aus dem Grundgesetz abgeleiteten, Zweck eigentlich – wie sagt man noch so schön – alternativlos.
Dass Unterhaltung nicht der einzige Diskussionswürdige Punkt im Dualen Rundfunksystem Deutschlands ist, werde ich in meinen kommenden Artikeln darlegen. (Rundfunk des Grauens – Wer einmal lügt…)
Bis dahin: “Guten Abend”.


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