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Politik statt Film – Die 87. Academy Awards

Am vergangenen Sonntag war es wieder so weit: In Los Angeles wurde der wichtigste Filmpreis des Jahres verliehen. Doch die 87. Academy Awards boten nicht nur eine Bühne für neue Filme und ausgefallene Kleider, sondern auch für politische Debatten und Statements, sowohl vor, als auch während der Verleihung.

Schon als die Nominierungen vor einigen Wochen bekannt gegeben wurden, gab es Beschwerden. Das Bürgerrechtsdrama „Selma“ über Martin Luther King war nur zwei Mal nominiert, die farbigen Hauptdarsteller und die afroamerikanische Regisseurin Ava DuVernay blieben ohne Nominierung. Anti-Rassismus-Aktivisten beschuldigen die Academy deswegen des Rassismus. Es sei üblich einen solchen Film öfter zu nominieren und die Nominierten seien allgemein sowieso zu oft weiß.
Die vorangegangene Berichterstattung wurde bei der Verleihung natürlich aufgegriffen. So eröffnete Neil Patrick Harris die Veranstaltung mit den Worten „tonight we honor Hollywood’s best and whitest… sorry brightest“ und sorgte somit für den ersten (und dank seiner blassen Moderation auch beinahe einzigen) Lacher des Abends.
Doch auch ernstere Töne wurden angeschlagen. John Legend, der zusammen mit Rapper Common für den besten Filmsong ausgezeichnet wurde, stellte klar „Selma is now, because the struggle for justice is now!“.
Dass John Legend damit Recht hat, will ich nicht leugnen. Rassismus ist ein Thema in den USA, aber meiner Meinung nach eines, das vor allem dort oft zu emotional belastet ist um sachliche Diskussionen darüber zuzulassen. Ich halte es für falsch der Academy, die übrigens mit Cheryl Boone Isaacs eine farbige Frau als Präsidentin hat, Rassismus vorzuwerfen, weil der Großteil der Nominierten in diesem Jahr weiß war.
Diese Anklage überrascht vor allem auch deshalb, weil im letzten Jahr das Gegenteil der Fall war. Das Sklaverei-Drama „12 Years a Slave“ war 2014 für neun Oscars nominiert. Ausgezeichnet wurde es mit dreien, unter denen auch der Oscar in der Kategorie ‚Bester Film‘ war.
Dass mit Birdman-Regisseur Alejandro G. Iñárritu in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge kein weißer, sondern ein mexikanischer Filmemacher mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, ließen die Kritiker auch außer Acht. Umso mehr Aufmerksamkeit galt dieser Tatsache allerdings am Ende der Verleihung, als Sean Penn ihm die Auszeichnung für den besten Film mit den Worten „Who gave this son of a bitch his greencard?“ überreichte. Dieser Witz kam nicht bei allen so gut an, wie beim Regisseur selbst. Penn und Iñárritu sind zwar laut eigener Aussage seit Jahren gute Freunde, die sich gegenseitig aufziehen, doch so etwas in diesem offiziellen Rahmen zu sagen, fanden viele Zuschauer unangebracht und geschmacklos.
Meiner Meinung nach wirkten die Reaktionen auf diesen Kommentar, genauso wie große Teile der ganzen Rassismus-Debatte, überzogen.

Aber Rassismus ist nicht das einzige politische Thema, dass bei den Academy Awards Aufsehen erregte. Denn wie immer nutzten einige Preisträger ihre Dankesreden, um auf Missstände aufmerksam zu machen.
Patricia Arquette, die als beste Nebendarstellerin für „Boyhood“ ausgezeichnet wurde, sprach sich in ihrer Rede für gleiche Rechte und Löhne für Männer und Frauen aus. Eine berechtigte Forderung, für die sie besonders von Mitbewerberin Meryl Streep Zustimmung und Jubel erhielt. In den USA verdient eine Frau nämlich im Durchschnitt nur 78 Prozent von dem, was ein Mann für die gleiche Arbeit erhält.
Dana Perry, die zusammen mit Ellen Goosenberg den Oscar für den besten Dokumentar-Kurzfilm erhielt, rief zu einem offeneren Umgang mit dem Thema Suizid auf. Seit ihr 15 jähriger Sohn vor einigen Jahren Selbstmord begangen hatte, setzt sich Perry für eine bessere Aufklärung darüber ein.

Überwachungsgegner durften sich über die Auszeichnung von „CITIZENFOUR“, der Dokumentation über Edward Snowden, als bester Dokumentarfilm freuen. Regisseurin Laura Poitras betonte in ihrer Dankesrede, dass der NSA-Skandal nicht nur eine Bedrohung für die Privatsphäre des Einzelnen, sondern für die Demokratie selbst sei.
Aufgrund des brisanten Themas, unterlag die Produktion von „CITIZENFOUR“ strenger Geheimhaltung. Dass er nun trotzdem mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, setzt ein Zeichen gegen die Überwachung durch die NSA. Es zeigt, dass die Wahrung der Privatsphäre, trotz der nach dem NSA-Skandal stetig zurückgehenden Berichterstattung, ein Thema ist, was der Gesellschaft am Herzen liegt.

Durch diese und weitere Ereignisse wurde die diesjährige Oscarverleihung zu einer der politisiertesten seit Jahren. Trotz der Wichtigkeit dieser Themen, verfehlen sie den eigentlichen Zweck der Veranstaltung. Besonders die Rassismus-Debatte verdrängte worum es bei den Academy Awards gehen sollte, nämlich die Schauspieler, Regisseure, Drehbuchautoren und weitere Personen hinter den Kulissen zu ehren, die uns jedes Jahr durch ihre Filme Freude bereiten.


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