Endlich ist es wieder soweit – Großbritannien wählt!
Was für viele Deutsche nach einem wenig interessanten Ritual klingt, verspricht in Wahrheit der spannendste Wahlkampf seit der Wiederwahl Barack Obamas zu werden. Traditionell sind Wahlkämpfe auf der Insel innovativer und intensiver als auf dem Kontinent. Telefonische Wähleransprache, systematischer Haustürwahlkampf und Canvassing wurden dort schon eingesetzt, als Konrad Adenauer noch mit seinem „Rheingold“ durch Deutschland tourte. Auch haben die Briten die Kunst des Negative Campaigning perfektioniert. Versteht man darunter in Deutschland meist dumpfes Draufhauen, so geht es in Großbritannien eher um das lustvolle und faktenorientierte Vorführen des Gegners ohne persönliche Angriffe.
Freuen darf man sich aber nicht nur auf neue und harte Wahlkampfmethoden, sondern auch auf deutliche inhaltliche Positionen. Die politische Debatte in Großbritannien ist viel stärker von Grundsätzen geprägt. Geht es in Deutschland um den Riesterfaktor in der Rentenformel, das Betreuungsgeld oder die Elternzeit, so debattieren die Briten gerade über den Austritt aus der EU, einen Einwanderungsstopp für Osteuropäer oder Steuersätze von 50%. Diese intensive Auseinandersetzung führt einerseits zwar zu persönlichen Verletzungen. So dachte Premierminister Cameron jüngst öffentlich darüber nach, den Übergewichtigen im Land die bisher höheren Gesundheitszuschüsse zu streichen. Andererseits aber sind die Positionen der beiden großen Parteien so wohltuend verschieden, dass der Wert der Demokratie und der Sinn von Wahlen jedem Briten klar sind.
Weitreichende Konsequenzen kann die Wahl allemal haben, auch im europäischen Kontext. Auch wenn die Briten der EU wohl nicht den Rücken kehren werden, kann es ihnen je nach Wahlausgang durchaus gelingen, die Union substanziell zu ändern. Was sich strahlende Wahlsieger alles trauen können, müssen die europäischen Granden ja gerade schmerzhaft von Herrn Tsipras lernen. Ein Blick nach Großbritannien – er lohnt sich allemal!
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