Selbst wenn man kein Anhänger des 1. FC Köln ist, so muss man dennoch neidlos anerkennen, dass dieser Verein eine starke kulturelle Wirkung entfaltet. Er ist Teil des kölschen Lebensgefühls, trägt die Farben der Stadt und viele seiner Gesänge sind im lokalen Dialekt geschrieben. Köln als Stadt ist quasi untrennbar mit dem FC verbunden. Dies liegt auch daran, dass es keinen zweiten starken Verein in der Stadt gibt und dass weder südlich von Köln (von Bonn bis in den Norden von Rheinland-Pfalz) noch östlich im Bergischen entsprechende Konkurrenzvereine existieren. Der FC ist somit zweifelsohne der Fußballverein einer gesamten Region und die Anhängerschaft ist groß.
Leider zieht die große Popularität auch eine große Zahl von Fans an, die der Verein nicht haben möchte. Hier ein paar Highlights: Im Jahr 2008 schleichen sich Kölner Fans mit gefälschten Ausweisen in das Stadion von Borussia Mönchengladbach und stehlen dort die Zaunfahne, das Heiligtum der Fans. Diese wird dann im nächsten Aufeinandertreffen im Fanblock präsentiert und zerrissen. Nur mit viel Mühe kann ein Eklat verhindert werden. In 2011 werfen FC-Fans Becher mit Urin und Fäkalien in einen Stadionblock mit Schalke-Anhängern.
Im Jahr 2012 zwangen Köln-Fans auf der Autobahn einen Bus mit Mönchengladbach-Fans (Rentner und Familien) auf einer Raststätte zum Halten und bewarfen den Bus mit schweren Pflastersteinen. Später im Jahr, als der Bundesliga-Abstieg durch eine Niederlage gegen Bayern München besiegelt wurde, zündeten Köln-Anhänger schwarze Rauchbomben und stürmten den Platz. Ein beherzter Einsatz der Polizei führte dazu, dass die Chaoten wieder zurück in ihren Block rannten. Wenige Monate später muss der FC-Spieler Kevin Pezzoni seinen Vertrag auflösen, weil ihm FC-Fans wegen mangelhafter Leistungen zuhause auflauern und ihn massiv bedrohen.
In diesem Jahr ist der FC schon mehrmals durch den Einsatz von Pyrotechnik und das Werfen von Steinen aufgefallen, was zu einem Teilausschluss von Zuschauern führte. Und dann zuletzt der öffentlich groß diskutierte Platzsturm in Mönchengladbach.
Der allergrößte Teil der Fans lehnt dieses Verhalten entschieden ab. Selbst in rabiateren Kreisen werden diese Aktionen nicht etwa als Heldentaten gefeiert, sondern nur belächelt, weil sie nicht gegen Gleichgesinnte gerichtet sind, sondern gegen friedfertige Anhänger anderer Vereine. Egal, aus welcher Perspektive man es betrachtet, man kann resümieren: Ein Verein schämt sich für seine Fans. Die Vorkommnisse gehen vor allem zu Lasten der vielen treuen und friedlichen FC-Fans.
Die jüngsten Ereignisse haben den 1. FC Köln dazu veranlasst, eine Reihe von Sanktionen anzukündigen. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um drei konkrete Maßnahmen:
[1] „Der 1. FC Köln entzieht den so genannten Boyz mit sofortiger Wirkung den Status eines Fanclubs und schließt die Gruppe aus der AG Fankultur aus. […] Der FC begründet diese drastischen Maßnahmen mit dem wiederholten vorsätzlich vereinsschädigenden Verhalten aus den Reihen der Boyz. Führende Mitglieder der Gruppierung waren beim Derby in Mönchengladbach sowohl am massiven, erkennbar verabredeten Einsatz von illegaler Pyrotechnik als auch am Platzsturm nach Spielende beteiligt.“
Dieser Schritt der Vereinsführung ist legitim, da ein Fußballverein selbst bestimmen kann, welche Fanclubs er offiziell anerkennt und ob er diese in eine Arbeitsgemeinschaft einbindet. Zudem ist diese kollektive Strafe einfacher zu rechtfertigen als eine individuelle Strafe, denn die betroffenen Personen kamen geschlossen in Maler-Kostümen ins Stadion, hängten ihre Boyz-Fahne auf, zündeten Pyrotechnik und stürmten den Platz. Hier steht außer Frage, dass die führenden Köpfe dieser Gruppierung die Aktionen unterstützt haben, zumal es nicht das erste Vorkommnis dieser Art war. Bei Strafen für Einzelpersonen sieht das Ganze wiederum anders aus. Hierzu schreibt der 1. FC Köln in seiner Mitteilung:
[2] „Für alle dem FC bekannten Mitglieder der etwa 40 Personen umfassenden Gruppe [Boyz] prüft der FC zudem in seinen dafür zuständigen Gremien noch in dieser Woche, also vor dem Heimspiel gegen Hannover 96 am Samstag, ein lokales, unbefristetes Stadionverbot, sämtliche Dauerkarten von Boyz-Mitgliedern für Heim- und Auswärtsspiele zu kündigen und alle FC-Mitglieder, die den Boyz angehören, aus dem 1. Fußball-Club Köln 01/07 e.V. auszuschließen.“
Diese Maßnahme muss man schon deutlich kritischer betrachten. Wie in jeder Gruppierung, so gibt es sicherlich auch bei den Boyz einige Mitglieder, die die Aktionen in Mönchengladbach verurteilen, und vermutlich auch einige, die sich schon länger nicht mehr mit den Boyz identifizieren können, am besagten Tag nicht im Stadion waren und mit dem Gedanken gespielt haben, aus der Gruppierung auszutreten. Diesen Personen allein aufgrund ihrer Mitgliedschaft, ohne den Nachweis einer persönlichen Schuld, ohne ein Verfahren und ohne die Möglichkeit, sich zu äußern oder zu verteidigen, mit solch drastischen Sanktionen zu belegen, ist überzogen und ungerecht.
Zwar hat der 1. FC Köln als Hausherr das Recht, dies nach Belieben zu tun. Das heißt aber noch lange nicht, dass diese Maßnahmen auch legitim sind. Daher muss man solche kollektiven Individualstrafen ablehnen. In der Mitteilung heißt es weiter:
[3] „Darüber hinaus wird der 1. FC Köln Verursacher der Vorfälle, die ermittelt werden können, ebenfalls mit Stadionverboten und allen weiteren Sanktionen belegen, die dem FC als Fußball-Club möglich sind. Wie in der Vergangenheit bereits mehrfach geschehen, gehört dazu explizit auch, die Täter für etwaige Verbandsstrafen des DFB und andere durch die Vorfälle verursachten Folgekosten in Regress zu nehmen. Diese Maßnahmen gelten für jeden ermittelten Täter, unabhängig von der Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit zu einer Gruppe der organisierten Fanszene.“
Hier schlägt der 1. FC Köln, anders als bei den beschriebenen Strafen, allein aufgrund der Mitgliedschaft in der betroffenen Gruppe, einen durchaus akzeptablen Weg ein. Wenn zweifellos feststeht, dass sich jemand an diesen Aktionen beteiligt hat, so sind ein Stadionverbot und die Regressnahme absolut gerechtfertigt.
In diesem Zusammenhang muss man bedenken, was die Aktionen einiger weniger bewirken. Sie haben dafür gesorgt, dass nun drastische Maßnahmen für alle Fans im Raum stehen, wie ein generelles Verbot von Auswärtsfans, eine unter Gesichtspunkten des Datenschutzes bedenkliche Personalisierung von Tickets sowie schärfere (teilweise unmenschliche und die Intimsphäre missachtende) Kontrollen. Meines Erachtens ist es nicht gerechtfertigt, die Gesamtheit der Fans aller Mannschaften in der Fußball-Bundesliga mit solchen Maßnahmen zu überziehen, nur weil einige wenige Chaoten des FC Köln über die Stränge schlagen, zumal hierunter die Stimmung und die Kreativität in den Stadien leiden würden. Deshalb ist es der richtige Weg, einzelne Täter zu identifizieren und mit Stadionverboten zu belegen und sie unter Umständen natürlich auch in Regress zu nehmen und strafrechtlich zu verfolgen.
Aber, an dieser Stelle ist eine große Einschränkung zu machen, sollten solche Maßnahmen möglichst rechtsstaatlich ablaufen. Als Hausherr kann der Verein Stadionverbote rein auf Verdacht und ohne konkrete Beweise aussprechen. Dies ist, wenn man bedenkt, welche Bedeutung der Stadionbesuch im Leben vieler Menschen hat, nicht akzeptabel. Eine mögliche Lösung wäre die freiwillige Einrichtung eines unabhängigen und ehrenamtlichen Schiedsgerichts, welches in jedem Einzelfall die Beweise prüft und den Angeklagten zu Wort kommen lässt. Auf dieser Grundlage sollte das Schiedsgericht ein für beide Seiten bindendes Urteil fällen.
Zudem sollten sämtliche Stadionverbote immer befristet und nicht lebenslänglich sein. Unser Rechtsstaat gesteht selbst Mördern zu, sich nach Ablauf ihrer Strafe wieder in die Gesellschaft zu integrieren, also sollten wir auch Fußballfans eine Chance zur Reintregration geben. Ganz bestimmt gibt es viele, vor allem junge, Fans, die in ihrem jugendlichen Leichtsinn Dinge tun, die sie später bereuen. Wenn sie dann 15 Jahre später mit dem 6-Jährigen Sohnemann in den Familienblock möchten, steht dem ein lebenslanges Stadionverbot entgegen.
Im Ergebnis muss man die Verantwortlichen des 1. FC Köln für ihren Mut loben. Ohne lange zu zögern haben sie das Heft des Handelns in die Hand genommen, um solche Vorkommnisse für die Zukunft zu verhindern. Der Verein hat sich damit nicht nur Freunde in der Kölner Fanszene gemacht, weil die Boyz zweifelsohne auch für eine tolle Stimmung und für optische Leckerbissen wie Choreografien sorgen. Auch gemäßigtere Fans haben nun die Sorge, dass dies negative Auswirkungen auf die Atmosphäre im Stadion haben wird. Letzten Endes hat der Verein aber den richtigen Weg eingeschlagen, denn es darf nicht sein, dass die Aktionen einiger weniger so ein negatives Licht auf den FC, dessen Fans und alle Fußballfans bundesweit ausstrahlen und dafür sorgen, dass harte Maßnahmen gegen alle Fußballfans ergriffen werden. Es ist nur wichtig, dass der 1. FC Köln bei der Durchsetzung der Sanktionen nicht rein auf Verdacht handelt, sondern rechtsstaatliche Prinzipien wie bei einem Gerichtsprozess walten lässt.
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